Archiv der Kategorie: Schachtheoretisches

Chunk

Chunk ist Englisch und bedeutet so viel wie Brocken oder Klumpen. Schach ist ein Tummelfeld für Kognitions- und Intelligenzwissenschaftler. Die bekannteste ihrer Theorien ist die Mustererkennung, worüber ich in diesem Blog schon ein paar Bemerkungen gemacht habe. Die Chunk-Theorie besagt, dass Schachspieler eine Stellung als eine Menge von Informations-Brocken wahrnehmen.

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Hans Müller

Mein allererstes Schachbuch war „Knaurs Schachbuch“, ein Erbstück meines Cousins Gerhard Sutter. Eine Partiensammlung von praktisch unkommentierten Partien, die heute noch nachgedruckt wird. Durch sie lernte ich die frühen Helden der Schachgeschichte kennen, Morphy, Steinitz, Tarrasch, Lasker, Capablanca und Aljechin. Mein zweites Schachbuch war Hans Müllers „Angriff und Verteidigung“ in der Erstausgabe von 1960. Einige Zeit darauf folgte „Botwinnik lehrt Schach“, ebenfalls von Hans Müller, welches bereits 1949 erschienen war, das Hauptwerk Hans Müllers. Es ist ein Klassiker der Schachliteratur.

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Die Kontroverse

Magnus Carlsen und Garry Kasparow haben um 2009 über ein Jahr lang viel zusammen analysiert, gespielt und Meinungen ausgetauscht. Dass ein Ex-Weltmeister seinen späteren Nachfolger coachte, war nicht neu, denn Kasparow selber ging bei Botwinnik in die Schule. Allerdings waren sich die beiden Superstars des modernen Schachs über die Spielauffassung nicht einig. Carlsen sagte darüber, dass Kasparow ein Forscher wäre, der alles endgültig bewerten wollte, während er selber eine eher spielerische, pragmatische Einstellung – ähnlich der Karpows – hätte.

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Der Variantenkoffer

Der österreichische Grossmeister Ernst Grünfeld bereitete sich akribisch auf seine Gegner vor. Er sammelte alle Partien aus Zeitschriften und Büchern in Sammelmappen, ordnete sie nach Eröffnungen und versah sie mit Anmerkungen. Er pflegte die Eröffnung sehr schnell zu spielen und verliess sich auf sein ausgezeichnetes Gedächtnis. Seine Kollegen nannten diese Aufzeichnungen den „Variantenkoffer“ und prägten damit diesen Begriff. Der Schachhistoriker Michael Ehn hat den ersten Band einer Grünfeld-Biographie so benannt. Ein zweiter Band ist nie erschienen.

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Schrotteröffnungen

Hikaru Nakamura hat kürzlich einen ‚Speedrun‘ mit ‚Garbage Openings‘ und einen mit Gambits gemacht. Wie üblich hat er alle Partien gewonnen, und das obwohl er mehr mit Chatten als mit Spielen beschäftigt war. Schrotteröffnungen sind seiner Ansicht nach solche, die auf GM-Niveau nicht gespielt werden, weil sie sozusagen von Anfang an ums Remis betteln. Als Schwarzer bevorzugte er als Schrott Skandinavisch und Budapester.

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Die Fischer-Falle

Ich löse gelegentlich Kombinations-Aufgaben auf Lichess. Ich bin ein guter Löser mit über 2500 Wertungspunkten. Das liegt an meiner Sorgfalt, die ich aber erst lernen musste. Lichess-Aufgaben werden vom Computer aus Partien ausgesucht und es gibt immer nur einen einzigen besten Zug, egal, wie lange die Aufgabe dauert. Ich bin im Lösen erst besser geworden, als ich gelernt hatte, mich mit jedem Zug neu zu orientieren und die neue Stellung wieder als neue Aufgabe zu betrachten.

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Dilettant oder Amateur?

Schachspieler, die zum Vergnügen Schach spielen, werden gemeinhin Amateure genannt. Im Sport versteht man unter einem ‚Amateur‘ im allgemeinen einen Sportler, der seinen Sport nicht professionell ausübt. So gibt es etwa Grossmeister, die ihren Sport nie professionell ausgeübt haben. Das Wort ‚Dilettant‘ hingegen ist etwas abschätzig, obwohl es dasselbe ausdrückt, nämlich dass derjenige oder diejenige zum Vergnügen und aus Freude spielt.

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Ein Zwilling

Zwillingsaufgaben sind Schachprobleme, in denen zwei ähnliche Stellungen zwei verschiedene Lösungen haben. GM Pal Benkö hat sogar Elflinge zur Welt gebracht, siehe Pal Benko – elf „Zwillinge“. Im Partieschach ist sowas sehr selten. Ich habe gerade angeregte schachphilosophische Diskussionen mit Gerard Welling, dem Autor von „Side-Stepping Mainline Theory„. Kurz nachdem er mir eine seiner Partien gesandt hatte, fand ich per Zufall einen Zwilling dazu.

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Die Schwierigkeit der Aufgabe

Eine Schachpartie besteht im Wesentlichen aus einer Kette von Entscheidungen. Je schwieriger die Entscheidungen sind, umso höher die Fehlerquote. Meines Wissens hat einzig Rudolf Spielmann in Richtig Opfern! darauf hingewiesen: Nicht oft genug kann ich betonen, dass in der praktischen Partie keineswegs die objektive Sachlage, sondern die relative Schwierigkeit der zu bewältigenden Aufgabe entscheidet.

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Das Damenproblem

Als früherer Fernschachspieler kannte ich das Problem, das Engines mit ungleicher Materialverteilung haben. Insbesondere mit drei Figuren für die Dame kamen krasse Fehleinschätzungen vor, weil die bevorstehenden Ereignisse nicht berechnet werden können, und das Programm sich daher an die Figurenwerte (9 für die Dame, 4 für Turm etc.) halten muss. Die folgende Partie illustriert das Problem mit Stockfish 11.

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Ein Turmendspiel

Ich habe meine Partie gegen Gabiele Botta in „Keine Pläne!“ ausführlich kommentiert, aber unter anderen Gesichtspunkten. Ich erinnere mich, dass ich das Endspiel damals mit Rybka analysiert habe, was noch ziemlich mühselig war. Mit Stockfish fällt alles viel leichter, und es kommen ganz andere Varianten mit ganz anderen Bewertungen heraus. Bei der erneuten Analyse habe ich mich gewundert, wie viele Fehler ich vor nur 5 Jahren gemacht habe. Nun, die Computer konnten es damals nicht besser, und dieses Endspiel ist wirklich sehr schwierig.

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Larrys Regel

Larry Christiansen, ein früherer Mannschaftskollege von mir, hat mir immer wieder eingebläut: „check every forcing move, no matter how stupid it looks!“ Etwas präziser formuliert, und auf Deutsch, heisst das: „Schau dir jeden möglicherweise zwingenden Zug an, egal wie blöd er aussieht!“ Nicht jede Drohung ist zwingend, daher das ergänzende ‚möglicherweise‘. Sobald ich eine Kombinationsaufgabe vor mir habe, befolge ich Larrys Regel, weil mir jemand sagt, „schau hin! Es ist etwas drin!“ Praktischerweise sollte ich Drohungen ihrer Härte nach prüfen. Anfangend mit Schachs und Mattdrohungen, über Angriffe auf Dame oder Figuren, bis hin zum Bauerngewinn.

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Filtertheorie

Die Filtertheorie stammt vom britischen Psychologen Donald E. Broadbent. Sie besagt, dass Lebewesen relevante Wahrnehmungen irgendwie von irrelevanten unterscheiden, und dann die irrelevanten „wegfiltern“. Das Phänomen ist so alltäglich, dass sich die Gelehrten nur über das „irgendwie“ streiten, z.B. beim Cocktailparty-Effekt; Was ist es genau, das uns ermöglicht, aus all dem Lärm genau die Stimme jener Person heraus zu hören, die uns interessiert?

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Genauigkeit

In meinem Buch „Berechnung im Schach“ kommentiere ich die Partie Capablanca – Tartakower ausführlich. Ich versuche in der Analyse zu zeigen, ob und wie meine Kriterien zur Zugwahl geholfen hätten, die Fehler und Ungenauigkeiten zu vermeiden. Neuerdings kann man auf lichess.org gratis Genauigkeitsanalysen anfordern. Diese werden in etwa einer Minute erstellt und treffen öfters nicht den Kern der Sache. Trotzdem, sie schätzen die Qualität der gemachten Züge einigermassen realistisch ein.

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Der Alpha Zero Bauer

In den 60-er Jahren erregte Bent Larsen Aufsehen, weil er öfters einmal mit dem h-Bauern los sprintete. In neuerer Zeit ist der h-Bauer vor allem durch das ‚here comes Harry‘ des ‚GingerGM‘ Simon Williams bekannt geworden. Nachdem nun auch Alpha Zero eine Vorliebe für den Zug h2-h4 entwickelt hat, wird der Zug in jeder erdenklichen Lage gemacht. Viele dieser Ideen sind uralt, werden aber als neu verkauft. So auch in dieser Partie.

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Angriffsprimat

Ich schreibe in „Keine Pläne!“ vom ‚Angriffsprimat‘, was heissen soll, dass Angriffszüge gegenüber Entwicklungszügen den Vorrang haben. Normalerweise sind in der Eröffnung die Angriffszüge auch Entwicklungszüge. Das stimmt aber nicht immer, und genau dann tritt das Angriffsprimat in Kraft. Diese Idee teste ich in meinen Blitzpartien mehr oder weniger konsequent aus. In der vorliegenden Partie dachte ich beim 7. und 8. Zug, dass ich nun schon langsam anfange zu spinnen…

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