Frauen

Frauenschach verdient ein eigenes Kapitel. Richtig, „Frauenschach“, nicht „Damenschach“. Das hat der Deutsche Schachbund im Jahre 2000 so beschlossen. Es gibt einen eigenen Artikel bei Wikipedia, Frauen beim Schach. Dort wird gerätselt, weshalb Frauen schlechter Schach spielen. Kasparow versteigt sich zur Behauptung, dass dies an den „Unvollkommenheiten der weiblichen Psyche“ liege, Elisabeth Pähtz meint, dass „der unterschiedliche Bau des menschlichen Gehirns“ daran schuld ist, und Judit Polgar bemüht „gesellschaftliche Ursachen“.

Das ist alles Mumpitz. Offensichtlich ist, dass viel weniger Frauen als Männer Schach spielen, der Frauenanteil im Schach ist kaum 10%. Dass sie schlechter spielen, ist überhaupt nicht erwiesen. Die vielen jungen und starken Grossmeisterinnen, die in den letzten Jahren aufgetaucht sind, vor allem aus Asien, lassen diese Behauptung als sehr zweifelhaft erscheinen. Gerade eben hat die 20-Jährige Hou Yifan in Biel 2014 bewiesen, dass sie in der 2700-er Liga mithalten kann.

Ich habe eine einfache verhaltensbiologische Erklärung für den geringen Frauenanteil: Schach ist ein ritualisierter Rivalenkampf unter Primaten. Ein spezifisch männliches Verhalten. Es gibt in allen Gesellschaften nur einen kleinen Anteil Frauen, die rivalisieren, vorzugsweise untereinander, weniger mit Männern. Der Anteil der Frauen im Schach dürfte etwa jenem der Frauen im Topmanagement entsprechen. Mit Intelligenz kann das nichts zu tun haben. Es ist ein Irrtum, zu glauben, dass Manager und Managerinnen Führungspositionen aufgrund ihrer Intelligenz erwerben. Eher ist das Gegenteil der Fall. Kompetente Leute werden nicht befördert, weil sie für ihren Job gebraucht werden, daher machen meist die Inkompetenten Karriere.

Eine Tatsache ist immerhin, dass Frauen anders Schach spielen, konkret, scharf und aggressiv. Auch da habe ich einen verhaltensbiologischen Ansatz. Mädchen streiten aggressiver. Während Knaben noch schubsen und mit ihrem grossen Bruder drohen, ziehen Mädchen bereits an den Haaren und gehen alsbald zum Treten, Kratzen und Beissen über. Das subtile männliche Drohverhalten liegt ihnen nicht. Im Erwachsenenalter beschränken sich männliche Machtkämpfe eher auf Drohgebärden, während Frauen verbal aggressiv zur Sache gehen.

Jean Luc Costa  (2320) – Judit Polgar (2355) 
Biel 1987

1.d4 Sf6 2.c4 c5

Ich habe dreimal gegen Jean Luc gespielt  und ein positives Score. Er kannte kaum Eröffnungen und spielte passiv, aber zähe. Seine Stärke war klar das Endspiel.

Gegen Judit habe ich einmal in einer Simultanvorstellung einen Winawer mit Schwarz in 25 Zügen gewonnen, als sie 14 war. Ihr Spiel beeindruckte mich damals überhaupt nicht, aber das sollte sich bald ändern. Ich bin ein grosser Fan ihrer Angriffskunst. Sie war zum Zeitpunkt dieser Partie 11 Jahre alt, und Biel ihr erster grosser internationaler Auftritt. Sie erreichte gegen eine Schweizer Auswahl 5.5 Punkte aus 12 Partien.

Natürlich will er kein Benoni spielen, sondern irgend etwas ruhiges „englisches“.

3.Sf3 cxd4 4.Sxd4 e5 5.Sb5 d5 6.cxd5 Lc5 7.S5c3 0–0

Mit dem ruhigen Spiel hat es nicht geklappt. Judit hat die erste Gelegenheit zum Gambitspiel genutzt. Die Standardantwort war damals 8.e3 e4 9.Le2 De7 10.a3 Td8. Costas Zug ist stärker.

8.g3

8…Db6 9.e3 Lg4 10.Le2 Lh3 11.Lf1 versprach keinen Angriff. Sie geht geradewegs auf den König los.

8…Sg4 9.e3 f5

Das Opfer auf f2 liegt bereits in der Luft. Er könnte es mit 10.h3 provozieren.

10…Sxf2 11.Kxf2 f4  12.Kg2 fxe3 13.Se4. Dieser Konter nimmt ihr allen Wind aus den Segeln.

10…Sf6 ist angebracht. Weiss hat Schwierigkeiten, sich zu entwickeln.

Die eigentliche Drohung ist 10…f4. Weiss kann nicht übertrumpfen, daher sollte er bedienen, wo möglich mit Gegendruck, also 11.Le211…Sf6 12.Sd2 Sbd7 13.Sc4. Es ist weit und breit kein Angriff in Sicht.

10.Lg2?

Ein ganz schwacher Zug, nach dem Motto „wer g3 macht, muss auch Lg2 machen“.

11…f4

Er steckt bereits in Schwierigkeiten. Mit 11.0-0 fxe3 12.Lxe3 Lxe3 13.fxe3 Txf1 14.Lxf1 Sxe3 15.Db3 Sxf1 16.Kxf1 konnte er um Ausgleich kämpfen.

Der Gegenangriff 11.Lf3 wäre methodisch gewesen, hätte das eine Opfer verhindert, aber ein zweites zugelassen.

11…fxe3 12.Lxg4 exf2+ 13.Kf1Ein Computerzug ist 13…Sc6 mit der Idee 14.dxc6 Dxd1+ 15.Lxd1 Lh3+ 16.Ke2 f1D+ 17.Txf1 Lxf1+ 18.Ke1 bxc6. 14.Lxc8 Dxc8 15.Kg2 Sd4 16.Tf1, Weiss sollte sich halten können.

Wahrscheinlich ist 11…h5 stärker. Nun könnte nach 12.h3 fxe3 13.hxg4 Txf3 14.Dxf3 Lg4 15.De4 Sd7 kommen. Schwarz hat einen ganzen Turm weniger, aber gute Angriffschancen, z. B. 17.Sd2 Ld4 18.Sb3 Df6 mit Gewinnstellung.

11.h3 Sxf2 12.Kxf2 fxe3+ 13.Ke1 Tf2

14.Le4 hätte den Läufer dem Angriff entzogen und selber 15.Dh5 gedroht. 14…Sd7 15.d6, droht 16.Sd5, und hält sich das Verteidigungsmanöver Ld5+ nebst Se4 in Reserve, 16…Sf6 17.Dd3 und Weiss bleibt im Spiel.

Ich habe in der Einleitung erwähnt, dass Costa zu passivem Spiel neigte. Auch hier spielt er passiv und versäumt Gegendrohungen.

14.Tg1? Df8 15.Dd3 Sa6 16.a3 Lf5 17.Le4 Lxe4

18.Sxe4 war seine letzte Chance. 18…e2 19.Sbd2 Th2 20.Sf3 Lxg1 21. Sxh2 Sc5! 22.Df3 Sxe4 23.Kxe2. Er steht schlecht, aber nicht verloren.

18.Dxe4 Ld4 19.Lxe3

19.b4 Tc8 20.Lxe3 Txc3 21.Sxc3 Lxc3+ 22.Kd1 Lxa1 23.Lxf2 Dxf2 half auch nicht mehr.

19…Sc5 20.Lxd4 exd4 21.Dxd4 Te8+ 22.Kd1 Df3+ 0–1

Judit Polgar (2630) – Nigel Short (2655)
PCA/Intel-GP New York (1), 1994

Das ist eine meiner Lieblingspartien.

1.e4 e6 2.d4 d5 3.Sc3 Sf6 4.e5 Sfd7 5.Sce2 c5 6.c3 Sc6 7.f4 cxd4 8.cxd4 f5?

Damit verbaut sich Short für alle Zeiten ein Gegenspiel mit f7-f6. Wenn sich Weiss ruhig weiter entwickelt, wird sie auf jeden Fall in Vorteil kommen. Das war aber nicht Judit Polgars Stil.

9.Sf3 Sb6 10.h3 Le7 11.g4

Natürlich ist das nicht gut.

11…Lh4+

Nach 12.Kd2 Sc4+ 13.Kc2 Le7 wäre es durchaus spielbar, vor allem weil Short wegen seinem 8. Zug keinen direkten Angriff hat.

12.Sxh4? Dxh4+ 13.Kd2 Df2 14.b3 Sxd4 15.Kc3

Es ist nicht leicht, einen richtigen Vorteil nachzuweisen. 15…Sf3! hätte d4+ gedroht. 16.La3 d4+ 17.Kb2 Sd5 gibt ihm Angriff. 15…Sxe2 16.Lxe2 Ld7 17.a4 Tc8+ 18.Kb2 war hingegen überhaupt nicht klar. Verständlich, dass er erst einmal die Qualität nimmt.

15…Df3+ 16.Kb2 Dxh1 17.Sxd4 Dh2+ 18.Kb1 0–0 19.a4

Weiss hat schon starken Angriff, der Ta1 kommt „mit Schuss“ nach g2.

19…fxg4 20.Ta2 Dh1 21.hxg4 Txf4 22.Lxf4 De4+ 23.Ld3 Dxf4 24.a5 Sd7 25.Sxe6 Dxe5 26.Te2 Dd6 27.Lxh7+ Kxh7 28.Sg5+ Kg8 29.Te6 ist ein Muster dessen, was bereits drin ist. Er muss die Dame geben, um nicht matt gesetzt zu werden.

Auch 19…fxg4 20.Ta2 Dg3 21.Tg2 Dxh3 22.Txg4 Dh2 23.Sf3 Df2 24.Ld3 gibt Weiss einen tödlichen Angriff.

Korrekt war nur die Verteidigung 19…fxg4 20.Ta2 Dg3 21.Tg2 Dh4 22.Txg4 De7

Nach dem Textzug ist die weisse Initiative tödlich, Judits Spielführung ein Genuss.

19…a5? 20.Ta2 Dg3 21.Tg2 Dc3 22.gxf5 exf5 23.Lb2 Dc7 24.e6 Tf6 25.Sxf5 Tg6 26.Le5 Dd8 27.Sxg7 d4 28.f5 Txg2 29.Lxg2 Dg5 30.Dh5 Dxh5 31.Sxh5 Ta6 32.Lxd4 Sa8 33.Ld5 1–0

 

Antiquarische Schachbücher