Fehlerorgie

Ich habe nicht vor, folgende Partie ins Lächerliche zu ziehen. Viel mehr geht es mir darum, die taktische Denkweise zu propagieren. Abgesehen davon müssen die Fehler in Zeitnot geschehen sein. Gut, in Zeitnot zu kommen ist auch ein Fehler…

Revolt Pimenow (2186) – Igor Lyssy (2624)
Botwinnik Memorial 2012, St. Petersburg, 1. Runde

1.c4 b6 2.d4 Lb7 3.Sc3 e6 4.e4 Lb4 5.f3 f5 6.Ld3 fxe4 7.fxe4 Sf6 8.De2 Lxc3+ 9.bxc3 Sxe4 10.Sf3 Sf6 11.La3 c5 12.O-O Sa6 13.Sg5 O-O 14.d5 h6 15.Se4 Sc7 16.Sxf6+ Txf6 17.Txf6 Dxf6 18.Tf1 De7 19.Lc1 Tf8 20.Lf4 Se8 21.Dg4 Tf6 22.Te1 d6 23.Lg3 e5 24.h4 Dc7 25.Lg6 Dd8 26.Lf5 Sc7 27.h5 Df8 28.Ld7 b5 29.cxb5 Sxd5 30.a4 Kh8 31.c4 Sf4 32.Lh4 Sxg2 33.Lxf6 Sxe1 34.De2 Sf3+ 0-1

1.c4 b6 2.d4 Lb7 3.Sc3 e6 4.e4 Lb4 5.f3 f5 6.Ld3

Wir haben eigenartige Kräfteverhältnisse hinter dem Brett, einerseits den unbekannten Zwozwoer Pimenow, anderseits den kommenden Russischen Meister von 2014, welcher sich dannzumal gegen die versammelten WM-Kandidaten durchsetzen sollte, u.A. Karjakin, Nepomniachtchi und Swidler. Die Englische Schreibweise von Lyssys Namen ist Lysyj, ich bevorzuge die Deutsche, sie erinnert mich an den berühmten Schweizer Regisseur Rolf Lyssy. Ich nehme an, dass Lyssy diese Variante gegen einen schwächeren Gegner aus einer Laune heraus spielte. In der Englischen Eröffnung bevorzugt er ansonsten eine Igel-Aufstellung, worüber er mit seinem Kumpel Roman Owetschkin ein Buch geschrieben hat. Meine Ansicht ist nicht ganz unbegründet, denn schon sein nächster Zug ist ein Fehler.

Pimenows Zug ist insofern clever, als sich Lyssy in der Hauptvariante 6.exf5 Sh6 7.fxe6 Sf5, dem Tony-Miles-Gambit, sicher ausgekannt hätte.

Ausser 6.exf5 und dem Textzug kommen noch die Neuerung 6.Sh3 und das anspruchslose 6.e5 in Frage, beide mit diversen taktischen Tricks verbunden.

6.Sh3 droht unmissverständlich exf5, hat die offensichtliche Absicht, das weisse Zentrum mit Sf2 zu zementieren und eventuell noch mit dem Zwischenzug Lg5 ein Tempo zu hamstern. Schwarz tut also gut daran, das Geschenk anzunehmen. 6…fxe4 7.fxe4 Lxe4, jetzt setzt 8.Sg5 Schwarz unter Druck, zieht der Läufer so kommt Ld3, z.B. 8…Lg6 9.Ld3. Hier summarisch die Hauptvariante: 6.Sh3 fxe4 7.fxe4 Lxe4 8.Sg5 Sf6 9.Sxe4 Sxe4 10.Dh5+ g6 11.De5 Sf6 12.Lg5 O-O 13.Le2 Sc6 14.De3.

6.e5 stellt ein Angriffsobjekt hin, welches sofort mit 6…d6 angegriffen wird. Weiss wird damit zum Tausch genötigt: 7.exd6 Dxd6. Die Pointe davon ist tief verborgen: 7.Da4+ Sc6 8.d5 gewinnt nämlich keine Figur, sondern verliert wie folgt Material: 8…exd5 9.cxd5 Dh4+ 10.Kd1 (erzwungen, weil 10.g3 nach einem Läuferschach die Dame verliert) 10…Dd4+ 11.Ld2 Lxc3 12.Dxd4 Lxd4 13.dxc6 Lxc6 14.Tc1 Se7 15.Txc6 Sxc6 16.Lb5 O-O-O 17.Lxc6 dxe5. Diese Variante hatte ich jahrelang in petto, aber durfte sie bisher ein einziges Mal zeigen.

6…fxe4?

Das muss taktisch zweifelhaft sein, weil es dem Weissen wichtige Optionen eröffnet. Zum Einen wird das Idealfeld f3 für den Springer frei, zusätzlich liegt auf einmal ein Damenschach auf h5 in der Luft. Er müsste schon den Bauern auf e4 gefahrlos gewinnen können, um diesen Zug zu rechtfertigen, aber das ist nicht drin, wie wir gleich sehen werden.

Was sind die Alternativen? Nun, Schwarz hat zwei potenziell zwingende Züge, das Damenschach und einen Angriff auf den Bauern d4 mittels Sc6. Beide Züge laufen in einen Gegenangriff hinein, 6…Dh4+ in 7.g3 und 6…Sc6 in 7.d5.

Beginnen wir mit 6…Sc6

Zunächst sehen wir, dass 7.exf5 wegen 7…Sxd4 8.fxe6 Sxe6 oder auch 7…Dh4+ 8.g3 Dxd4 nichts wert ist.

6…Sc6 7.d5 Se5. Notfalls kann Schwarz nun auf c3 und d3 tauschen. Es hängt davon ab.welche Drohungen Weiss hat. Nach 8.Lf4 wäre der natürliche Reflex, zu werweissen, ob man zuerst 8.Lf4 Lxc3+ 9.bxc3, und erst dann 9…Sxd3+ 10.Dxd3 spielen sollte, oder sofort 8…Sxd3+ 9.Dxd3. Bei allem Werweissen ist das Damenschach vergessen gegangen. Nun, das Damenschach geht sofort: 8…Dh4+ 9.g3 Df6 oder 9.Lg3 Sxd3+ 10.Dxd3 fxe4 11.fxe4 Lxc3+ 12.bxc3 Dg4. Schwarz steht gut, aber eventuell kann man das noch optimieren. Jedenfalls kein Grund zur Sorge. Daher ist 7.d5 nicht das Richtige.

Weiss muss den Bauern d4 decken, aber egal, wie er deckt, er wird 7.exf5 drohen. Das will geprüft sein. 6…Sc6 7.Se2 und jetzt 7…fxe4. Egal wie Weiss schlägt, Schwarz ist okay. Auch 7.Le3 Dh4+ 8.g3 Df6 mit einem weiteren Angriff auf d4 muss gut sein.

Die Alternative ist 6…Dh4+ 7.g3 Dh5. Das spiele ich selber immer. Es ist mit dem Bauernopfer 8.exf5 Sf6 verbunden, das braucht schon ein wenig Expertise, aber ist im Prinzip einfach zu spielen. Eine Erörterung würde zu weit führen. Der beste Zug dagegen ist übrigens 8.Ld2 und 8…Sc6 9.a3 Ld6 10.e5 Le7 11.Le3 kam bereits in der Premiere Neunhöffer-Robatsch 1984 vor. Als Alternative ist 8…Sh6 gut.

Schwarz ist verpflichtet, nach potenziell zwingenden Zügen Ausschau zu halten, weil er sehr schnell auf Verlust stehen wird, wenn Weiss dazu kommt, seinen Raumvorteil zu konsolidieren. Potenziell zwingende Züge sind direkte Angriffe. In diesem Fall entweder das Damenschach oder der Angriff auf den d4-Bauern. Der Tausch auf e4 ist ebenfalls potenziell zwingend und führt sogar zu Bauerngewinn. Aber exakt dieser Bauerngewinn wird einige Figuren und Felder des Schwarzen gefährden und damit Weiss potenziell zwingende Züge ermöglichen.

7.fxe4 Sf6

Er sieht die Falle 7…Lxc3+ 8.bxc3 Lxe4 9.Dh5+, das angesprochene Damenschach, 9…g6 10.De5 Lxd3 11.Dxh8.

Auch 7…Lxe4 8.Lxe4 Lxc3+ funktioniert nicht, denn 9.Kf1 bedroht jetzt Ta8 und Lc3. Die Ausrede 9…d5 hilft nicht, denn nach 10.cxd5 darf er nicht zurückschlagen, wegen dem berüchtigten Damenschach. Also greift er den Le4 an, 10…Sf6, der geht weg, 11.Lf3 und jetzt sitzt der Lc3 in der Tinte und hat kein einziges Feld, auf 11…La5 kommt 12.b4 Lxb4 13.Da4+.

Den Bauern mit 8.De2 zu decken, liegt nahe, aber halt, der fällt ja trotzdem… Was dabei heraus kommt, sehen wir in der Partie.

Grundsolide wäre etwas in der Art von 8.Lg5 h6 9.Lxf6 Dxf6 10.Sf3 Sc6 11.a3 Lxc3+ 12.bxc3.

Man könnte auch mit (8.Lg5 h6) 9.Lh4 g5 10.Lg3 Sxe4 11.Dh5+ Ke7 12.Lxe4 Lxe4 13.De2 Öl ins Feuer giessen.

Allein schon an diesen Varianten sehen wir, dass mit der schwarzen Stellung etwas nicht in Ordnung ist. Immerhin steht Schwarz nur schlecht, aber keineswegs verloren.

8.De2

Schwarz drohte Sxe4. Die Alternative 8.Lg5 haben wir schon besprochen. Aber es gab einen verborgenen Trick, der noch stärker ist als der Textzug, nämlich 8.Sh3. Ich habe lange überlegt, wie man logisch auf diesen Zug kommen könnte. Aber es gibt gar nicht viel zu deuteln. Das erzwingt einen entscheidenden Königsangriff, aber der entscheidende Zug ist unheimlich schwer zu sehen. 8.Sh3 Sxe4 9.Dh5+ g6 10.Dg4! Hier ist er. Ab hier spielt sich alles von selbst. 10…Sf6 11.Lxg6+ hxg6 12.Dxg6+ Ke7 13.Lg5 Df8 14.O-O und aus die Maus.

Nach (8.Sh3) 8…Lxe4 9.Lxe4 Sxe4 10.Dh5+ g6 ist 11.De5 Sf6 12.O-O O-O 13.Lg5 Le7, und jetzt 14.d5 verheerend.

Und noch was, (8.Sh3) 8…O-O 9.O-O Lxc3 10.bxc3 Sxe4 11.Txf8+ Dxf8 12.De2 Sf6 13.Lg5 Sc6 14.Tf1 ist haushoch gewonnen, sagt der Computer. Dabei sieht die Stellung so aus, als ob Weiss vielleicht ein bisschen Kompensation für den Bauern hat…

Das Problem am Ganzen ist, dass Schwarz gar nichts besseres hat, als den e-Bauern zu fressen, denn nach 8.Sh3 O-O 9.O-O droht vernichtend 10.e5.

Das Tauschverbot besagt, dass Abtäusche nur dann erlaubt sind, wenn sie erzwungen sind, oder die eigenen Optionen vermehren. Der Abtausch auf e4 hat aber im Gegenteil die schwarzen Optionen vermindert, indem sich Schwarz dazu zwang, jetzt den Bauern zu gewinnen. Aber nicht nur das, er hat die f-Linie für Weiss geöffnet und das Damenschach auf h5 ins Spiel gebracht.

8…Lxc3+ 9.bxc3 Sxe4 10.Sf3

Lustigerweise hatte ich diese Stellung schon selber mit Weiss nach der Zugfolge 1.e4 b6 2.d4 Lb7 3.Ld3 e6 4.c4 Lb4+ 5.Sc3 f5 6.De2 Sf6 7.f3 fxe4 8.fxe4 Lxc3+ 9.bxc3 Sxe4. Ich wusste sogar, dass es einen Trick mit Dg4, Lxg6 und Sh3 gab, aber brachte ihn nicht auf die Reihe, und so dachte ich mir, na ja, 10.Sf3 gewinnt ja auch…

Also das geht so: 10.Dh5+ g6 11.Dg4 Sf6 12.Lxg6+ hxg6 13.Dxg6+ Kf8 (13…Ke7 14.La3+) 14.Sh3. Hübsch, nicht? Diesmal ist der Sinn klar, die Rochade wird den Angriff entscheidend verstärken. Trotzdem noch ein hübsches Finish: 14…Txh3 15.O-O Tf3 16.Lg5 Le4 17.Dh6+ Ke7 18.Lxf6+ Txf6 19.Dxf6+ Kd6 20.Dxd8.

Hilflosigkeit ist das am schwierigsten zu erkennende Motiv im Schach. Auch wenn Weiss hier den direkten Gewinn mit 10.Dh5+ usw. nicht entdeckt, wird Schwarz ab jetzt für viele Züge keine einzige Drohung zuwege bringen. Der Plusbauer und die intakte Bauernstellung täuschen über dieses Problem hinweg. Ein entscheidender Mangel dieser Bauernstellung ist, dass sie praktisch unbeweglich ist und keinen Einfluss auf das Zentrum hat. Als Folge davon sind die Figuren am Damenflügel auf längere Zeit vom Spiel abgeschnitten, und Weiss muss aller Voraussicht nach am Königsflügel entscheidende Drohungen generieren können. Die Gewinnkombination mit Dh5+ bestätigt dies drastisch.

10…Sf6 11.La3

Offenbar ein natürlicher Reflex, die Rochade und auch De7 zu verhindern. Auch ich hatte seinerzeit diesen Zug gemacht. Dabei reichen laut Stockfish natürliche Züge schon vollkommen zum Gewinn. Am besten versucht Schwarz noch nach der Damenseite zu rochieren. Eine Mustervariante: 11.O-O De7 12.a4 Sc6 13.La3 d6 14.Tae1 O-O-O 15.d5.

Aber wie steht es mit diesen ’natürlichen Zügen‘? Folgen wir einfach einer Computervariante. 11.O-O O-O 12.Lg5 Sc6 13.Se5 De8 14.Tae1 Kh8 15.Sg4 Sxg4 16.Txf8+ Dxf8 17.Dxg4. Weiss hat nichts besonderes gemacht, aber nun sehe auch ich ein, dass er komplett auf Gewinn steht. Ich habe über Hilflosigkeit geschrieben. Dies ist die Illustration dazu. Schwarz steht vollkommen passiv und bringt über viele Züge keine einzige Drohung zustande. Irgendwie implodiert die Stellung einfach.

11…c5 12.O-O

Revolt Pimenow (welch ein Vorname!) spielt es besser als ich. Ich zog seinerzeit 12.dxc5 Sa6 13.cxb6. Hier hätte mein Gegner mit 13…axb6 14.Ld6 Sc5 15.O-O Le4 seinen Damenflügel aktivieren können, aber er zog es vor, nach 13…Dxb6 14.Tb1 Da5 15.Ld6 auf Verlust zu stehen, denn 15…Dxc3+ 16.Dd2 Dxd2+ 17.Sxd2 Lc6 18.c5 verlöre den Springer a6.

12…Sa6 13.Sg5 O-O 14.d5 h6 15.Se4 Sc7 16.Sxf6+ Txf6 17.Txf6 Dxf6 18.Tf1 De7

Ich hatte von Fehlerorgie geschrieben. Davon war in dieser Zugfolge noch nichts ersichtlich…

19.Lc1?

Es gab zwei potenziell zwingende Züge, die Mattdrohung 19.De4 und den Angriff auf den Springer mit 19.De5.

19.De4 g5, Auf 20.Dg6+ kommt einfach 20…Dg7. Auch der nächste Angriff 20.De5 ist wegen 20…d6 nicht zwingend. Schwarz verteidigt sich nach 21.Df6 Dxf6 22.Txf6 exd5 23.Txd6 mit 23…La6 24.Tg6+ Kf8 25.Tf6+, Weiss hat ein ewiges Schach, aber nicht mehr als das.

Also anders herum: 19.De5 d6 20.De4 g5 21.Dg6+ Dg7 22.Tf7 Dxg6 23.Lxg6. Das war der Sinn, jetzt hängen die Figuren auf der 7. Reihe. 23…Tc8 24.dxe6 und Weiss gewinnt.

Schwarz sollte nach 19.De5 also 19…Se8 versuchen. Nach 20.Lc1 kann nun der Turm nicht nach f8. 20…d6, aber 21.Dg3 mit der Doppeldrohung 22.Dg6 und 22.Lxh6, etwa 21…Sf6 22.Te1 e5 23.Lxh6 und gewinnt. Sofort 20…Sf6 scheitert ebenfalls an 21.Lxh6, und dann auf 21….Sg4 22.De4.

19…Tf8 20.Lf4 Se8

Der Turm auf f8 hält jetzt die Stellung zusammen.

21.Dg4?

Droht das 22.Lxh6? Keineswegs, Schwarz kann einfach d5 wegnehmen: 21…exd5 22.Lxh6 Txf1+und Weiss kann aufgeben. Nach 22.Dg6 Tf6 23.Dh7+ Kf7 steht er ebenso auf Verlust. Auch 22.Dg3 Tf6, und alles ist gedeckt.

21…Tf6? 22.Te1 d6?

Verständlich, er will e5 vorbereiten.

22…Sd6 war solide, um auf 23.Lg3 Sf7 24.Lh4 g5 zu haben.

23.Lg3?

Er geht dem e-Bauern aus dem Weg. Aber auch hier gab es einen potenziell zwingenden Zug, 23.h4 mit der Pointe 23…e5 24.Lg5 hxg5 25.hxg5 Tf8 26.Lg6. Einmal mehr geht das schwarze Spiel an Hilflosigkeit zugrunde. Weiss hat sogar Zeit zu Te3 nebst Th3. Ein Beispiel: 26…Tf7 27.Te3 Dd7 28.Lxf7+ Dxf7 29.g6 De7 30.Th3 Df6 31.Dh5 Kf8 32.Tf3.

Schwarz hat nichts Besseres, als nach 23.h4 mit 23…e5 24.Lg5 mit 24…Df7 die Qualität aufzugeben.

23…e5 24.h4 Dc7?

Er lässt 25.Lf5 zu. Die letzten Züge riechen schwer nach Zeitnot.

25.Lg6? Dd8 26.Lf5 Sc7?

Er konnte ganz einfach mit 26…Tf8 27.Dg6 Sf6 konsolidieren.

27.h5 Df8 28.Ld7?

Eine gute Idee, aber leider mit Fragezeichen. 28.Lg6 Lc8 29.Dd1, und Schwarz kann sich nicht befreien, es wird Remis. Die Dame droht, nach dem Damenflügel zu gehen, z.B. 29…La6 30.Da4

28…b5?

Kaltschnäuzig 28…La6, und er befreit sich nach und nach mit Kh8, Df7 und g7-g6.

29.cxb5 Sxd5 30.a4?

Erneut macht er einen Nullzug. Potenziell zwingend waren 30.Lc6 und 30.Lh4, z.B.

30.Lh4 Tf4 31.De6+ Kh8 32.Lc6 Txh4 33.Dxd5 Lc8.

30.Lc6, 30…Lxc6 31.bxc6 ist erzwungen. Der Freibauer ist sehr gefährlich, die einzige Verteidigung ist 31…De8.

Nach 32.Dd7 Dxd7 33.cxd7 Tf8 34.Td1 Sf6 35.Txd6 Td8 36.Lxe5 Txd7 37.Tc6 wird es remis.

Weiss kann mit 32.Dc4 Df7 noch ein wenig auf Gewinn spielen, aber es gibt eigentlich nichts Erfolg versprechendes. Nach etwa 33.Tb1 hält 33…Sb6 die Stellung, und 34.Da6 ist nicht wirklich gefährlich. Schwarz kann sich sogar 34…Dxh5 35.Dxa7 Sd5 36.c7 Sxc7 37.Dxc7 Dg6 erlauben.

30…Kh8?

30…Se3 gewann, wegen 31.Txe3 Tf1+ 32.Kh2 Th1+ 33.Kxh1 Df1+ 34.Kh2 Dxg2#

31.c4?

Natürlich 31.Lc6, und Schwarz hat Mühe, das zu halten. Am ehesten noch mit 31…Df7 32.c4 Sf4.

31…Sf4?

Natürlich wieder 31…Se3. Das Endspiel nach 32.De2 Sxg2 33.Tf1 Txf1+ 34.Dxf1 Dxf1+ 35.Kxf1 Se3+ 36.Ke2 Sxc4 ist vermutlich gewonnen.

32.Lh4?

32.Lxf4 Txf4 33.Dg6 Lc8 ist remis.

32…Sxg2?

32…g5 lag auf der Hand, 33.hxg6 Txg6, tauscht er nicht, ist 33…Sxg2 nun wirklich tödlich.

33.Lxf6 Sxe1 34.De2?

Schachpartien gewinnt man, indem man den zweitletzten Fehler macht. Dies hier ist der letzte.

34.Lc6 stellte eine schwierige Aufgabe.

34…Dxf6 35.Lxb7

34…Lxc6? 35.Lxg7+ Dxg7 36.Dxg7+ Kxg7 37.bxc6 und der Bauer läuft durch.

34…Lc8 35.Le7! Dg8 36.Dg6 Dxc4 37.Le4

Somit 34…gxf6 35.Lxb7 f5, und es gibt immer noch viel Diskussionsstoff.

34…Sf3+ 0-1

Natürlich war das ab etwa dem 21. Zug massive Zeitnot beidseits. Trotzdem, mit 30 Sekunden pro Zug macht man nicht ein gutes Dutzend schwere Fehler hintereinander. Man macht PZZ (potenziell zwingende Züge), und wenn man dabei nicht in einen Konter läuft, umso besser. Ich denke, diese Partie illustriert das PZZ-Prinzip trotz allem eindrucksvoll, sowohl in Eröffnung, Mittelspiel und erst recht in der taktischen Zeitnotphase.