Zwei Sprüche Bronsteins haben mir besonderen Eindruck gemacht. Der eine besagt, dass die Spielstärke eines Spielers nur von seiner taktischen Schlagfertigkeit abhängt, hingegen aber das positionelle Rüstzeug für jeden leicht zu lernen ist. Der andere, dass er seine Figuren nie einem direkten Angriff aussetzte, und wenn, dann hätte er einen Trick vorbereitet.
David Bronstein – Paul Keres
Interzonenturnier Göteborg 1955
1.d4 Sf6 2.c4 e6 3.Sc3 Lb4 4.e3 c5 5.Ld3 b6 6.Se2 Lb7 7.O-O cxd4 8.exd4 O-O 9.d5 h6 10.Lc2 Sa6 11.Sb5 exd5 12.a3 Le7 13.Sg3 dxc4 14.Lxh6 gxh6 15.Dd2 Sh7 16.Dxh6 f5 17.Sxf5 Txf5 18.Lxf5 Sf8 19.Tad1 Lg5 20.Dh5 Df6 21.Sd6 Lc6 22.Dg4 Kh8 23.Le4 Lh6 24.Lxc6 dxc6 25.Dxc4 Sc5 26.b4 Sce6 27.Dxc6 Tb8 28.Se4 Dg6 29.Td6 Lg7 30.f4 Dg4 31.h3 De2 32.Sg3 De3+ 33.Kh2 Sd4 34.Dd5 Te8 35.Sh5 Se2 36.Sxg7 Dg3+ 37.Kh1 Sxf4 38.Df3 Se2 39.Th6+ 1-0
1.d4 Sf6 2.c4 e6 3.Sc3 Lb4 4.e3 c5 5.Ld3 b6 6.Se2 Lb7 7.O-O cxd4 8.exd4 O-O 9.d5
Keres hat sich eine unangenehme Stellung eingebrockt. 9…exd5 10.cxd5 Sxd5 11.Sxd5 Lxd5 12.Lxh7+ Kxh7 13.Dxd5 kommt nicht in Frage. Aber 9…exd5 10.cxd5 Te8 11.a3 Lf8 sieht auch verdächtig aus. Er beschliesst pragmatisch, den h-Bauern wegzuziehen, und Lg5 zu verhindern.
9…h6 10.Lc2
Vermutlich hat Bronstein übersehen, dass nach 10.a3 Lxc3 11.Sxc3 exd5 12.cxd5 12…Sxd5 wegen 13.Df3 und 12…Lxd5 wegen 13.Sxd5 Sxd5 14.Le4 eine Figur verliert.
10…Sa6 11.Sb5
Ein seltsamer Zug, konnte er sich doch mit 11.a3 Lxc3 12.Sxc3 Tc8 13.dxe6 dxe6 14.b3 einen positionellen Vorteil sichern.
11…exd5 12.a3 Le7
Jetzt 13.cxd5 Sc7 14.Sxc7 Dxc7 15.Lf4 Ld6 16.Lxd6 Dxd6 und Schwarz hat keinerlei Probleme. Aber Bronstein hatte nichts derartiges vor.
13.Sg3
Ein Klassezug. Der Computer sieht das Läuferopfer kommen und will es mit 13…Te8 14.Sf5 dxc4 15.Lxh6 gxh6 16.Sbd6 Lxd6 17.Dxd6 Kh8 18.Sxh6 Te6 19.Sxf7+ Kg7 20.Sxd8 Txd6 21.Sxb7 Td2 22.Ld1 1 Tb8 25.Lf3 Sc5 26.Sxc5 bxc5 entschärfen.
13…dxc4 14.Lxh6 gxh6 15.Dd2
Die kritische Stellung. Darüber wurden schon manche Aufsätze geschrieben. Weiss droht, mittels Dxh6 nebst Sh5 mattzusetzen. 15…Sg4 16.Df4 verliert die Figur zurück. Aber was sonst?
15…Sc5 ist der einzige Zug. 16.Dxh6 Le4 17.Sf5 Lxf5 18.Lxf5 Te8. Weiss braucht nicht ewig Schach zu geben, sondern kann mit 19.Tae1 Lf8 20.Txe8 Dxe8 21.Dxf6 Lg7 22.Dh4 die Figur zurückholen, mit offenem Ausgang.
Weiss tut also gut daran, Le4 nicht zuzulassen: 16.Tae1.
Lange galt darauf 16…Sd3 als Rettung. Stockfish relativiert das mit 17.Lxd3 cxd3 18.Sf5 Le4 19.Sbd4 Te8 20.Sxh6+ Kf8 21.Dg5 Lg6 22.Txe7 Txe7 23.Dxf6 Te4 24.Dh8+ Ke7 25.Shf5+ Lxf5 26.Sxf5+ Ke6 27.Dh3 d5 28.Dxd3.
Bleibt noch, die Figur zurück zu geben: 16.Tae1 Sfe4 17.Sxe4 Lxe4 18.Lxe4 Lg5. Weiss behält nach 19.Dd5 Sxe4 20.Txe4 Tc8 21.Txc4 Txc4 22.Dxc4 einen kleinen Vorteil.
15…Sh7? 16.Dxh6 f5 17.Sxf5 Txf5 18.Lxf5 Sf8 19.Tad1 Lg5 20.Dh5 Df6 21.Sd6 Lc6 22.Dg4 Kh8 23.Le4?!
23.Td4 mit der Idee Dh5+ nebst Tg4 hätte die Partie beendet. So aber kann Keres den aussichtslosen Kampf noch weiterschleppen.
23…Lh6 24.Lxc6 dxc6 25.Dxc4 Sc5 26.b4 Sce6 27.Dxc6 Tb8 28.Se4 Dg6 29.Td6 Lg7 30.f4 Dg4 31.h3 De2 32.Sg3 De3+ 33.Kh2 Sd4 34.Dd5 Te8 35.Sh5 Se2 36.Sxg7 Dg3+ 37.Kh1 Sxf4 38.Df3 Se2 39.Th6+ 1-0