Hammerschlag

Mitte 2020 spielte Hikaru Nakamura auf Twitch die „Bongcloud Speedrun“. 3-Minuten-Blitzpartien, in denen er unter dem Nick „Clownpusher“ bei 1000 Elo anfing. Er spielte zwischenhinein gelegentlich die so genannte „Bong Cloud“ 1.e4 e5 2.Ke2, mit der er dann im September in St. Louis Jeffery Xiong (Elo 2700) im 5’+3“-Blitz „schlug“. De facto schlug sich Xiong aber aus einer +7-Gewinnstellung heraus selber. Mehrheitlich spielte er in dieser Serie aber die „Hammerschlag“-Eröffnung 1.f3, 2.Kf2 oder mit Schwarz 1…f6 2…Kf7.

Er gewann die ersten 190 Partien am Stück, aber in der 191. erwischte es ihn, gegen „SlowlyRun“:
1.d4 f6 2.e4 Kf7 3.Sf3 e6 4.Le3 d5 5.Ld3 b6 6.De2 a5 7.Sbd2 La6 8.Lxa6 Sxa6 9.O-O-O c6 10.Kb1 a4 11.e5 a3 12.exf6 gxf6 13.b3 Se7 14.g4 Lg7 15.g5 f5 16.h4 Sc7 17.h5 Sb5 18.Dd3 Kg8 19.h6 Lf8 20.Se5 De8 21.g6 hxg6 22.h7+ Txh7 23.Txh7 Kxh7 24.Th1+ Kg8 25.Lg5 Lg7 26.Dh3 Ta7 27.Dh7+ Kf8 28.Lxe7+ Txe7 29.Sxg6+ Kf7 30.Sf3 Sc3+ 31.Ka1 e5 32.Sfxe5+ Ke6 33.Sxe7 Dxe7 34.Dg8+ Kd6 35.Db8+ Ke6 36.Dc8+ Kf6 37.Tg1 1-0

Interessanterweise hatte Hikaru im 13. Zug schon fast ausgeglichen, geriet aber in einen schwungvollen Angriff seines Gegners. Erstaunlich an dieser Serie war, dass er auch 2400-er Spieler relativ leicht schlug, obwohl er offensichtlich mehr mit Chatten als mit Spielen beschäftigt war.

Magnus Carlsen liess sich nicht lumpen und gewann im Oktober im Banter-Blitz-Finale mit dem Hammerschlag eine Partie gegen Wesley So.

In einer Turnier-Datenbank habe ich für 1.f3 e5 2.Kf2 d5 elf Partien gefunden, mit dem Resultat +6 -3 =2 für Weiss. Wen wundert es, dass auch „Ginger GM“ Simon Williams diese Eröffnung gespielt hat, und zwar an der Britischen Meisterschaft 1999 in Scarborough gegen einen gewissen Martin Simons mi 2264 Elo. Sucht man aber diesen Martin Simons bei der Fide, steht er mit 1963 Elo zu Buche. Egal, die Partie ist so oder so interessant.

1.f3 e5 2.Kf2 d5 3.e3 Sf6 4.d4 Sc6 5.Lb5 Ld6 6.Se2 O-O 7.Te1 e4 8.Sg3 h5 9.f4 Lg4 10.Le2 g6 11.Kg1 De7 12.a3 b5 13.b3 De6 14.Ld2 Se7 15.Lb4 a5 16.Lxd6 Dxd6 17.Lxg4 Sxg4 18.c4 bxc4 19.bxc4 c5 20.Sc3 h4 21.Dxg4 hxg3 22.cxd5 gxh2+ 23.Kxh2 f5 24.dxc5 Dxc5 25.Dg5 Kf7 26.Tac1 Th8+ 27.Kg1 Th5 28.Sxe4 Db6 29.Tc6 Dxc6 30.dxc6 Txg5 31.Sxg5+ Ke8 32.e4 Tc8 33.exf5 gxf5 34.Te5 Txc6 35.Txa5 Tc4 36.g3 Tc3 37.Kg2 Tc2+ 38.Kh3 Tc3 39.a4 Ta3 40.Se6 1-0

1.f3 e5 2.Kf2 d5 3.e3 Sf6 4.d4 Sc6 5.Lb5 Ld6 6.Se2 O-O 7.Te1? e4

Die Partie ist bisher durchaus ‚logisch‘ verlaufen. Nakamura hätte aber niemals derart riskant gespielt wie Williams, sondern 3.g3 versucht, um allenfalls mit dem König nach g2 und dem Springer über h3 nach f2 zu gehen. Prinzipiell geht es in solch ‚unterentwickelten‘ Stellungen darum, ‚Feindkontakte‘ zu vermeiden, wie diese Partie drastisch zeigen wird.

Das schematische 7.Te1 war ein grober Fehler, der h2 ungedeckt liess. Schwarz hätte dies bereits mit 7…exd4 ausnützen können, mit der Idee 8.exd4 Sg4+ 9.fxg4 Dh4+. Es ist zwar nicht gerade offensichtlich, dass dies gewonnen ist. Der weisse König wird von der Seite und von vorne bedrängt werden, und der Se2 ist ein Angriffsobjekt.

Es kann sehr schnell gehen, z.B verliert Weiss nach 10.Kf1 Lxh2 11.Lxc6 bxc6 12.Lf4 Lxf4 13.Sxf4 f5 in allen Varianten den Springer, wenn er nicht mattgesetzt werden will.

Zäher ist 10.Sg3. Nach 10…Dxh2 11.Sf1 gewinnt Weiss ein Tempo, aber nach 11…Dh4+ geht 12.g3 wegen 12…Lg3+ 13.Sxg3 Lxg4 nicht, z.B. 14.Le2 Dh2+ 15.Ke3 Tfe8+. Aber auch 12.Kg1 Lxg4 13.Dd2 Sxd4 spielt sich von selber. Oder 13.Le2 Tae8 mit anhaltendem Angriff. Allerdings ist 14.Sc3 Lf5! nicht leicht zu finden.

8.Sg3 h5

Dieser Zug ist gut, aber 8…exf3 gewann forciert. 9.Dxf3 Lg4 verliert die Dame daher 9.gxf3, und es schlägt erneut ein, 9…Sg4+ 10.fxg4 Dh4 11.Kg2 Lxg4.

12.Dd2 Lxg3 13.hxg3 Dh3+ 14.Kg1 Dxg3+ ist eine Fingerübung,

12.Le2 Dh3+ 13.Kg1 Lxg3 14.hxg3 Dxg3+ 15.Kh1 f5 noch schlimmer. Bleibt noch

12.Te2 Dh3+ 13.Kg1 Lxg3 14.hxg3 Dxg3+ 15.Tg2 Dxg2+ 16.Kxg2 Lxd1.

Schwarz gewinnt in allen Varianten, ohne einen einzigen schwierigen Zug finden zu müssen.

9.f4 Lg4?

9…Sg4+ 10.Kg1 Sxh2 war nun wirklich nicht schwierig. Gut, man musste 11.Dxh5 Sg4 berechnen. 12.Dxd5 geht wegen 12…Dh4 nicht, also 12.Sf1. Schwarz will g6 spielen um au der h-Linie anzugreifen, aber er tut gut daran, erst d5 mit Tempo zu decken: 12…Sb4 13.Sa3 g6 14.Dh3 Kg7 15.Le2 Th8 16.Dg3 Le7 17.Lxg4 Lh4 und Weiss kann aufgeben.

Schwarz vergibt nun nach und nach seinen Vorteil mit gut aussehenden ‚positionellen‘ Zügen.

10.Le2 g6 11.Kg1 De7 12.a3 b5 13.b3 De6 14.Ld2 Se7 15.Lb4 a5 16.Lxd6 Dxd6 17.Lxg4 Sxg4 18.c4 bxc4 19.bxc4 c5?!

Nach 19…c6 stand er immer noch etwas besser.

20.Sc3 h4??

20…Tac8 oder 20…cxd4 waren gute Züge. Weiss konnte jetzt mit 21.Sgxe4 dxe4 22.Dxg4 cxd4 23.Sxe4 gewinnen.

21.Dxg4 hxg3 22.cxd5 gxh2+ 23.Kxh2?

23.Kh1 f5 24.dxc5 Dxc5 25.Dg5 Dxc3 26.Dxe7 Df6 behielt den Mehrbauern.

Jetzt wäre 23…Kg7 angebracht gewesen. Das Eventualschach auf h8 hätte Weiss nicht zulassen sollen.

23…f5 24.dxc5 Dxc5 25.Dg5 Kf7

Besser 25…Tf7.

26.Tac1 Th8+ 27.Kg1 Th5?? 28.Sxe4 Db6 29.Tc6 Dxc6 30.dxc6 Txg5 31.Sxg5+ Ke8 32.e4 Tc8 33.exf5 gxf5 34.Te5 Txc6 35.Txa5 Tc4 36.g3 Tc3 37.Kg2 Tc2+ 38.Kh3 Tc3 39.a4 Ta3 40.Se6 1-0