Das beste Training ist Blitzen im Internet. Mein Fritz speichert die Partien in der MyInternetGames-Datenbank. Ich blitze eine oder mehrere Partien, und analysiere die dann mit dem Computer.
Ich verbessere damit meine Eröffnungen, indem ich stärkere oder gefährlichere Züge, oder neue Ideen finde. Ausserdem sind meine Gegner glücklich, ihre Neuerungen anwenden zu können, und so bin ich bestens informiert, was in der grossen weiten Schachwelt punkto Theorie gerade angesagt ist.
Die Analyse hilft mir, typische Stellungen zu verstehen. Am wichtigsten ist mir aber, dass mir der Computer meine Fehler nachweist, und mir taktische Tricks vorführt, die ich nicht gesehen habe.
Ich bin offenbar nicht der Einzige, der dies tut. Die folgende Eröffnung habe ich bestimmt schon ein Dutzend mal gespielt, immer gegen den gleichen Gegner, unterdessen sind wird beim 17. Zug angelangt.
Er – Ich, Blitz 3’+2“
1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.d4 exd4 4.Lc4 Sf6 5.0–0 Lc5 6.e5 d5 7.Lb5 Se4 8.Sxd4 0–0 9.Sxc6 bxc6 10.Lxc6 La6 11.Dxd5 Lxf1 12.Dxe4 Lb5 13.Sc3 Lxc6 14.Dxc6 Ld4 15.Lf4 Tb8 16.b3 De8. In der letzten Partie spielte er 17,Dc4 c5 18.Dd3. Sowohl nach 18…De6, was ich gespielt habe, als auch nach der direkten Drohung 18…Td8, bin ich im Vorteil. Bestimmt wird das nächste Mal 17.Df3 Tb6 aufs Brett kommen. Vielleicht sieht er dann doch einmal ein, dass die Variante gut für Schwarz ist. Es steckt viel Analyse drin. Dies ist der ultimative Stand der Theorie! Bereits 16.b3 ist eine Neuerung. Hätte ich die Variante „trocken“, aus einem Buch oder durch eine Analyse gelernt, dann wäre sie längst vergessen gegangen. So aber kann ich sie im Schlaf aufsagen.
Gut zu wissen, dass das Evansgambit aller Wahrscheinlichkeit nach nicht widerlegt werden kann. Das Folgende ist meine „Beweis-Variante“. Oder, wenn Sie so wollen, die Hauptvariante des „modernen“ Evansgambits mit 7.Db3.
Ich – Er, Blitz 3’+2“, 2015
1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lc4 Lc5 4.b4 Lxb4 5.c3 La5 6.d4 exd4 7.Db3 De7 8.0–0 Lb6 9.cxd4 Sxd4 10.Sxd4 Lxd4 11.Sc3 Sf6 12.La3 d6 13.Tad1 Lxc3 14.Dxc3 De5 15.Dc1 0–0 16.Lb2 De7 17.e5 Sg4 18.f4 dxe5 19.h3 Dc5+ 20.Ld4 Da5 0–1
Alle seine Züge trafen in regelmässigen Abständen ein. Auch 20.Ld4 schien ihn nicht wirklich zu schockieren. Probieren Sie die Variante mit Ihrem Computer aus. Das Programm wird mit ziemlicher Sicherheit die jeweiligen Züge von Schwarz nach ein paar Sekunden zuoberst haben.
Es war mir ein wenig zu anspruchsvoll, die Sache gegen einen Computer zu blitzen, und so gab ich auf. Die Bewertung lautet 0.00. Z. B. 21.fxe5 Sxe5 22.Tde1 Sxc4 23.Dxc4 Le6 24.Txe6 fxe6 25.Dxe6+ Kh8 26.Txf8+ Txf8 27.De7 Tg8 28.Lxg7+ remis.
Scharfe Varianten zu blitzen, ist ein hervorragendes Taktiktraining. Ich spiele gerne auch das Königsgambit, das ich in einer Turnerpartie nie anwenden würde, einfach, um ein Gespür für Taktik zu bekommen.
Ich – Er
Internet-Blitz 3’+2“, 2012.
1.e4 e5 2.f4 exf4 3.Sf3 Le7 4.Lc4 Lh4+ 5.g3 fxg3 6.0–0 gxh2+ 7.Kh1 Lg3
In Turnierpartien spiele ich nicht Königsgambit, weil Schwarz mit 3…d5 in einer einfachen Stellung bequem ausgleicht. GM spielen meist das, wenn sie mit dem Königsgambit überrascht werden. Ausserdem sehe ich nicht, was Weiss in der Philidor-Verteidigung 3…d6 4.d4 g5 für den Bauern haben will. Ich habe 2011 damit eine Fernpartie leicht gewonnen.
Nichtsdestotrotz ist das Königsgambit gegen Spieler unter, sagen wir, 2000 Elo eine fürchterliche Waffe, wenn man es nicht ins Blaue hinaus spielt, etwas Theorie kennt und taktisch beschlagen ist.
Auf dem Brett haben wir das Dreibauerngambit, eine Variante des Cunningham-Gambits, das in den letzten Jahren bei Hobbyspielern ziemlich in Mode gekommen ist.
5.Kf1 gilt als Stärkstes, wonach sich der Läufer auf h4 verlaufen hat und wohl am besten gleich wieder nach e7 zurückgeht. Für ein Taktik-Training ist aber sicher das Dreibauerngambit besser geeignet. Es wurde 1842 von Tassilo von Heydebrand und der Lasa, dem Koautor des legendären Bilguer, erfunden.
Anstelle von 7…Lg3 ist 7…d5 8.Lxd5 uralte Theorie, wonach das Hauen und Stechen losgehen kann, z.B. 8…Lh3 Lxf7+. Schwarz sollte 8…Sf6 spielen. Korrekt ist dann 9.Sxh4 Sxd5 10.exd5 Dxh4 11.De2+ Kd8, und nicht 9.Lxf7+ Kxf7 10.Sxh4 Tf8.
Damals hielt Rybka dieses 7…Lg3, was eine Neuerung ist, für den stärksten Zug. Mein Gegner spielte es a tempo, er war also vorbereitet. Die Zeiten ändern sich. Heute (2015) gibt Stockfish 8.Sc3 und 8.Lxf7+ als vorteilhaft für Weiss an, und nach 8.De2 muss Schwarz schon den einzigen Zug 8…d5 finden, um nicht auf der Stelle zu verlieren.
Ich hatte mir irgendwann im Urlaub ein paar alte Partien angesehen, unter anderen auch die Stammpartie von 1842, und da kam mir die Erleuchtung:
8.Se5!!
Endlich konnte ich die seit langem präparierte Bombe platzen lassen.
Heydebrand hatte das auf 7…Lf6 gezogen, aber da ist es überflüssig, und wegen 8…De7 sogar zweifelhaft. Mit 8.e5 wäre er in Vorteil gekommen.
8…Dh4 ist vermutlich am besten.
Die Hauptvariante ist 9.Lxf7+ Kd8 10.d4 Se7 11.Lg5 Dxg5 12.Lg8 Ke8 13.Lf7+. Remis. Weiss braucht nicht 11.Lg5 zu ziehen, sondern kann mit 11.Sc3 versuchen, seinen Entwicklungsvorsprung auszunutzen.
Oder 9.Lxf7+ Kd8 10.d4 Dxe4+ 11.Tf3 Lxe5 12.fxe5 Dg4, droht Dg1+, 13.Le3 Se7 14.Lh5 Dxg5 15.Tf8+ Txf8 16.Dxh5 h6 mit Vorteil für Weiss.
Selbstverständlich frass er den vorwitzigen Gaul:
8…Lxe5 9.Dh5 De7 10.Txf7 Dc5 11.Tf8+ Ke7 12.d4 Dxd4 13.Lg5+
Zäher war nun 13…Kd6, damit wäre ich am Ende meines Lateins gewesen. Die Analyse beweist, dass 14.Sc3 Dxc4 15.Lf4 gewinnt. Unerbittlich, wie das Prinzip der Kombination nach einer lang anhaltenden Initiative, und jenes der härtesten Drohung zuschlägt!
15…Kc6 16.Dxe5 d6 17.Dxd6+ cxd6 18.Txc8+ Kd7 19.Txc4. Weiss hat eine Qualität gewonnen.
15…Lxf4 16.Txf4, droht e5+, 16…Kc6 17.Df3, droht schon wieder e5+, 17…De6 18.e5+ d5 19.Sxd5, und gewinnt, z. B. . 19…Kd7 20.Tf7+ Se7 20.Td1. So schön kann Schach sein.
13…Sf6 14.Df7+ Kd6 15.Sc3 Txf8 16.Dxf8+ Kc6 17.Ld5+ Sxd5 18.exd5+ Kb6 19.Le3 Dxe3 20.Db4+ Ka6 21.Db5 matt.
Der Schluss ist beschönigt. Er hat natürlich im 19. Zug die Dame gegeben und die Partie noch ein paar Züge weiter geschleppt. Es ist die grösste Unsitte im Internet, dass die Jungs total verlorene Partien bis zum Matt weiterspielen.
Ich bin stolz auf diese Partie, gerade weil ich die ersten 13 Züge kannte. Allerdings hätte ich den Gewinn nach 13…Kd6 kaum zustande gebracht, und erst in der Analyse gefunden.
Ich – Er
Internet-Blitz 3’+2“, 2014.
1.e4 d6 2.d4 Sf6 3.Sc3 e5 4.Sf3 Sbd7 5.Lc4 Le7 6.0–0 h6
So spielen viele. Keine Ahnung, was der Vorteil gegenüber 6…0-0 sein soll. Ich sah mir 7.Sh4 an und fand, dass die Fahrt Tempo aufnehmen würde, wenn er e4 frisst. So geschah es.
7.Sh4 Sxe4
Das kam a tempo. Ich habe bereits eine Mattdrohung für den Bauern.
8.Dh5 0–0
Erzwungen. Und jetzt natürlich 9.Lxh6. Aber 9.Sxe4 wäre objektiv stärker gewesen. 9…Sb6 10.Sg6 Sxc4 11.Sxf8 mit Qualitätsgewinn.
9.Lxh6 Lxh4
Falsch. Er überlebt nur mit 9…Sdf6 10.Dg6 Se8 11.Dxe4 Lxh4.
Besonders hübsch ist 9…Sef6 10.Dg6 Se8 11.Lxg7 Sxg7 12.Sf5 Lf6 13.Se4. Gegen 14.Lxf7+ ist nichts zu machen.
Jetzt natürlich nicht mit 10.Dg6 in den Konter 10.Df6 hineinlaufen, sondern
10.Sxe4 Lf6 11.Dg6 Sb6
Oder 11…Kh8 12.Lxg7+ Lxg7 13.Dh5+ Kg8 14.Sg5 Sf6 15.Lxf7+ Txf7 16.Dxf7+
12.Sg5 1–0
Im Blitz spiele ich solche Sachen hemmungslos, und diese Attacke war per Zufall wasserdicht. Im Turnierschach sieht es anders aus. Dort muss ich meine Züge mir gegenüber rechtfertigen. Es ist erstens zu vermuten, dass 7.Sh4 nicht der beste Zug ist. Zweitens sollte ich wenigstens ansatzweise begründen können, weshalb die Variante 7…Sxe4 funktioniert. Nun, ausrechnen kann ich das nicht, dafür sind meine Fähigkeiten zu beschränkt. Aber ich kann es wissen, entweder weil ich es schon einmal gesehen habe, oder weil meine Intuition mir sagt, dass es funktionieren muss. Meine Intuition muss ich zuerst ausbilden, und genau das tue ich, indem ich solche Züge im Blitz ausprobiere und sie dann mit dem Computer analysiere.
In der Analyse stellt sich tatsächlich heraus, dass 7.Sh4 nach 7…exd4 8.Dxd4 Se5 nicht besonders stark ist. Aber diese Züge muss er erst einmal finden. Das ist gar nicht so einfach, denn Philidor-Spieler trachten danach, den Bauern auf e5 zu zementieren. Zusätzlich geht 7…0-0 gerade wegen 8.Sg6 nicht, ausserdem droht der Springer nach f5 zu hüpfen. Somit ist 7.Sh4 ein guter Zug, den es sich lohnt, ins Repertoire aufzunehmen.
Ich – Er
Internet-Blitz 3’+2“, 2014.
1.e4 c5 2.Sf3 d6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sf6 5.Sc3 a6 6.Lc4 e6 7.Le3 b5 8.Lb3 Sbd7
Ich habe ein gefühltes Dutzend mal diese Stellung gehabt. Die Patzer spielen so, „weil das Kasparow gegen Short gespielt hat.“ Völlig falsch. Short hat nicht 7.Le3, sondern 7.Lb3 gezogen, und Kasparow nicht 7…b5, sondern , 7…Sd7.
9.Lxe6 fxe6 10.Sxe6 Da5 11.a3!
Die Pointe. Es droht 12.b4.
Der Clou ist, dass die Stellung nach dem 8. Zug von Schwarz in meiner Datenbank 12 mal vorkommt. 9 der Weissspieler haben andere Züge als 9.Lxe6 gemacht, darunter 2 IM. Von den dreien, die 9.Lxe6 gezogen haben, hat der einzige, der 11.a3 gefunden hat, ein Spieler mit 2300 Elo, sogar noch verloren: 11…b4 12.axb4 Dxb4 13.Sc7+ Kf7 14.Sxa8 Db7 15.Dd4 Dxa8 16.Dc4+ Ke8 17.Sd5? Sxd5 18.exd5 Le7 19.0-0-0? mit Ausgleich. Er produzierte noch ein paar andere Züge im Stile von 17.Dd5 und 19.0-0-0.
11…Sxe4 12.b4 Sxc3 13.Df3 Da4 14.Dxa8 Kf7 15.Dxc8 Kxe6 16.Dxc3 Tg8 17.0–0 g6 18.Ld4 1–0
Blitzen ist gut für das intuitive Spiel. Die nachträgliche Computeranalyse deckt die verborgenen Ressourcen und Feinheiten auf. Ich hätte bereits eine schöne Sammlung Blitzpartien im Greco- oder Morphy-Stil anzubieten. Hier eine Typische:
Ich – Er
Internet-Blitz 3’+2“, 2015.
1.e4 c6 2.d4 d5 3.Sc3 dxe4 4.Sxe4 Lf5 5.Sg3 Lg6 6.h4 h6 7.Sf3 Sd7 8.h5 Lh7 9.Ld3 Lxd3 10.Dxd3 e6 11.Lf4 Sgf6 12.0–0–0 Da5 13.Kb1 b5
Er hat zwei hirnlose „Angriffszüge“ im Stil von 1850 gemacht. Wie knackt man das? In einer Turnierpartie hätte ich wahrscheinlich 14.Se5 Sxe5 15.Lxe5 Le7 16.Se4 mit gewaltigem positionellem Vorteil gewählt. Aber in einer Blitzpartie teste ich meine Ansicht, dass das methodische dem positionellen Spiel vorzuziehen ist.
14.The1 Le7?
Einzig richtig war noch 14…Sd5 15.Ld2 Db6 16.Se4 Le7.
15.Sf5
Auf 15…exf5 wollte ich natürlich 16.Ld6 ziehen, wobei ich 16…Se4 übersah. Dann wäre es nach 17.Txe4 fxe4 18.Dxe4 0-0 nur ungefähr ausgeglichen.
15…exf5 16.Sh4 ist stark.
16…Sd5 17.Sxf5 Sxf4 18.Txe7+ Kd8 19.Df3 Sd5 20.Txf7 gewinnt wegen seinem „zentralisierten“ König.
16…Kf8 (oder 16…Kd8) 17.Txe7 Kxe7 18.Sxf5+ gewinnt ebenfalls. 18…Kf8 geht wegen 19.Ld6+ Kg8 20.Se7+ nicht. Daher 18…Kd8 19.Sd6 mit der Drohung Sb7+, 19…Tb8 20.Sxf7+ Ke7 21.Ld2 b4 22.Dg6 mit Gewinnstellung. So offensichtlich ist das nicht, denn ich habe gerade einen Turm weniger. Ich drohe Sxh8+ nebst Dxg7+, seine Verteidiger sind unbeweglich und hilflos, und er hat kein Gegenspiel. Der Computer schlägt 22…Th7 vor, nach 23.Lf4 steht er auf Matt.
23…Sf8 24.Ld6+ Kd7 25.Se5+ Kxd6 26.Sc4+ mit Damengewinn.
Er kann diese Variante mit dem Zwischenzug 23…b3 verbessern, mit dem er das Turmschach auf e1 verhindert. Nach 24.axb3? geht nun 24…Sf8 25.Ld6+ Ke8!! und ich habe kein einziges Schach.
Aber auch dieses 23…b3 lässt sich – wenigstens analytisch – widerlegen. 24.Ld6+ Ke6 und erst jetzt 25.axb3. Nach 25…Sf8 26.Sxf8 Txf8 27.Se5 soll die Stellung laut Computer angeblich gewonnen sein, obwohl ich immer noch einen ganzen Turm minus habe.
Vorsichtige Gemüter könnten (nach 23…b3 24.Ld6+ Ke6 25.axb3 Sf8) mit 26.b4 Sxg6 17.bxa5 Sxh5 18.Lxb8 Kxf7 19.Lxa7 ein aussichtsreiches Endspiel anstreben.
15…Sxh5 16.Ld6 Lxd6 17.Sxd6+ Ke7
Sein König muss in der Mitte bleiben. Zäher wäre 17…Kf8 gewesen.
18.d5 cxd5 19.Dxd5 Shf6 20.Sf5+ Kf8 21.Dd6+ Kg8 22.Se7+ Kh7 23.Sg5+ hxg5 24.Th1+ Sh5 25.Txh5# 1–0
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