IM

Oliver Kurmann (2420) – Markus Klauser (2360)
Schweizerische Mannschaftsmeisterschaft 2013

Oliver hat Jahrgang 1985. Er erreichte mit 17 die 2300 Elo-Marke, stagnierte dann lange, bis er nach der Matura ein oder zwei „Profi-Jahre“ einlegte. Mit 22 wurde er IM, und kratzte an der 2500-er Schwelle. Er ist mehrfacher Olympiateilnehmer für die Schweiz.

Markus hat Jahrgang 1958. Er war immer ein mittelmässiger FM, bis zu einem Hoch im Jahre 2004, als er mit 46 noch den IM-Titel eroberte.

Ähnliches wie Markus passierte mir, ich wurde mit 1995 mit 44 noch FM. Dass dieser Titel so spät kam, lag aber hauptsächlich daran, dass mir anfangs der 80-er irgendwann 200 Elo abhanden kamen, wahrscheinlich durch einen Tippfehler. Ich bemerkte den Verlust nicht, zu jener Zeit interessierte sich kaum jemand für Elo, ganz im Gegensatz zu heute.

Beide Spieler, Oliver wie Markus, zeichnen sich durch einen enormen Fleiss aus, besonders in der Eröffnungsvorbereitung.

1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lc4 Lc5 4.b4 Lxb4 5.c3 Le7 6.d4 Sa5 7.Le2 exd4 8.Dxd4

Sogar ich wusste, dass Markus 5…Le7 spielen würde. Markus seinerseits war es sicher nicht entgangen, dass Oliver gelegentlich das Evansgambit anwendet.

Die berühmte Patie Kasparow – Anand, Tal Memorial, Riga 1995 ging mit 8…Sf6 9.e5 Sc6 10.Dh4 Sd5 11.Dg3 g6 12.0–0 weiter, Anand zog hier das dubiose 12…Sb6 und verlor in 25 Zügen.

8…d5

Markus macht einen seltenen Zug . Er ist kein Freund von grossen Verwicklungen, und strebt mit 9.exd5 Sf6 10.c4 0-0 eine solide Stellung an.

9.Dxg7 Lf6 10.Dg3 dxe4 11.Sd4 Se7 12.Sb5 Sd5 13.c4 a6 14.cxd5 axb5 15.Sc3

Bisher folgten die Experten einer Partie Niclas Huschenbeth – Jan Gustafsson, Deutsche Meisterschaft, Bonn 2011. Gustafsson zog hier 15…Dd6?? 16.Lf4 Db4 17.Le5 De7 18.Lxf6 Dxf6 19.0–0 und wurde im 27.Zug mattgesetzt.

Die Verbesserung im nächsten Zug ist wahrscheinlich immer noch Teil der Vorbereitung. Aber, mit Verlaub, wie kann man so etwas vorbereiten? Für mich steht Schwarz wegen seiner schlechten Königsstellung kritisch, wenn nicht schon auf Verlust. Immerhin ist die Stellung derart irrational, dass alle drei Resultate möglich sind.

15…b4 16.Sb5 Lxa1 17.Sxc7+ Ke7 18.Sxa8 Lc3+ 19.Kf1 Dxd5 20.Sb6 Dc5 21.Dh4+ Lf6 22.Dxe4+ Le6 23.Le3 De5 24.Dxb4+ Ke8 verliert einen Bauern, aber die Stellung ist unklar. Der Computer schlägt anstelle von 18.Sxa8 18.0-0 vor, setzt mit 18…Tg8 19.Dh4 Kd7 20.Dxe4 fort, und reklamiert eine Gewinnstellung. Ich sehe ein, dass das für Programme gewonnen ist, aber auch für menschliche Wesen? Immerhin kann sich Schwarz jetzt auch noch den Sc7 einverleiben.

15…Sb3 16.0-0. Nach 16…Sxa1 17.Sxe4 oder 17.Lxb5+ steht Weiss laut Computer auf Gewinn. 16…Sxc1 17.Taxc1 Ta3 18.Lxb5+ Kf8 19.Tfe1. Weiss musste nicht einmal einen Bauern für diese Bombenstellung investieren. Trotzdem scheint sie analytisch gesehen noch am erträglichsten zu sein.

15…c6 hätte er versuchen können. 16.Sxe4 Lxa1 17.Sd6+ Kf8 (nach 17…Ke7 soll laut Computer 18.La3 Sc4 19.Sxc4+ Txa3 20.Dxa3+gewinnen)18.Lh6+ Ke7 19.Sxc8+ Txc8 20.De3+ Kd7 21.Lg4+ Kd6 22.Lf4+ Kxd5 23.Lf3+ Kc4 24.0–0 Dd4, eine irrwitzige Königswanderung Richtung a2. „Steel King“ heisst sowas in der Fachsprache. Laut Computer ist hier Weiss nach 25.Tc1+ Lc3 26.Le2+ Kb4 27.a3+ Ka4 28.Ld1+ Sb3 29.Dxc3 Dxc3 30.Txc3 Ka3 31.Txb3+ Ka2 im Vorteil. Mag sein. Aber wer opfert schon einen Turm aufs Geratewohl? Höchstens ein Spitzen-GM, oder jemand, der es vorbereitet hat.

Abgesehen davon könnte man auch einmal anstelle von Computervarianten Laskerschen gesunden Menschenverstand walten lassen, und auf 15…c6 16.Tb1 ziehen, wonach Schwarz aller Voraussicht nach seine Probleme nicht lösen kann.

15…Sc4

16.0-0 wäre schon fast entscheidend gewesen. Sein Zug ist nicht so gut, er hat nach der erzwungenen Fortsetzung Mühe, zu rochieren.

16.Sxb5?! Sd6 17.Tb1 Txa2

18.Db3 zwingt ihn praktisch zum Qualitätsopfer 18…Txe2+ 19.Kxe2 Lg4+ 20.f3 exf3+ 21.gxf3 Lf5 22.De3+ Kf8 23.Lb2 Lg5. Die Stellung ist völlig unklar.

18.Sxd6+ Dxd6 19.Lb5+ Ld7 20.Lf4 Dxd5 21.Lxd7+ Kxd7 22.0–0 war einfach und gesund.

18.Lf4?

Falsch. Mit 18…Sxb5 käme Schwarz in Vorteil, denn 19.Lxb5+ c6! 20.dxc6 Da5+ 21.Kf1 Tb2! 22.cxb7+ Dxb5+ geht nicht. Er muss mit dem Turm schlagen. 19.Txb5 Dd7 20.Tc5 Da4 21.Tc1 Txc1 23.Lxc1 Dc4 24.Ld2 Lf5 mit guten Gewinnaussichten für Schwarz.

18…h5??

Grauenhaft. 19.Db3 Ta8 20.0-0 mit Gewinnstellung. Oder 19…Txe2+ 20.Kxe2 Lg4+ 21.f3. Er hat null Kompensation.

19.Sxd6+ cxd6

20.Lb5+Ld7 21.0-0 Lxb5 22.Txb5 sollte zum Gewinn reichen.

20.Lxd6?? Da5+ 21.Lb4 Dxd5 22.De3

22…Lg4 und was nun? 23.Lxg4 Ld4 24.Ld7+ Kxd7 25.Td1 Lxe3 26.Txd5+ Kc6 27.Td6+ Kb5 28.fxe3 Ta1+ 29.Td1 Txd1+ 30.Kxd1 Kxb4. Dieses Turmendspiel ist gewonnen.

22…Lg4 23.Td1 Txe2+ 24.Dxe2 Dxd1+ 25.Kxd1 Lxe2+ 26.Kxe2 Tg8 27.g3 Tg5 mit guten Gewinnchancen.

Er übersah, dass er im übernächsten Zug nicht en passant schlagen kann.

22…Lg5?? 23.f4 Le7 24.Lxe7 Kxe7 25.Tb5 Dc6

26.Te5+ Le6 27.0–0.

26.0–0?!

Das lässt 26…Td8 zu.

26…Le6??

27.Tc1 Dd7 28.Td1 Dc6 29.Txb7+ Dxb7 30.Dc5+ Ke8 31.Lb5+ gewinnt forciert. Auch die Textfortsetzung reicht komfortabel.

27.Tfb1 Td8 28.f5 Ld5 29.Txb7+ Td7 30.Dg5+ f6 31.Dg7+ Lf7 32.Lxh5 1-0

Der Computer deckt taktische Mängel gnadenlos auf. IM sind eben keine GM, weil ihr taktisches Verständnis zu wünschen übrig lässt. Gerade Oliver hat so manchen GM überspielt, aber dann halt leider „Luft hereingelassen“.

Jean-Noël Riff (2510) – Werner Kaufmann (2210)
Schweizerische Gruppenmeisterschaft, 21.03.2015

Jean-Noël möge mir verzeihen, dass ich ihn in der IM-Kategorie einordne. Er ist seit 2014 Grossmeister. Immerhin war er vorher 15 Jahre lang IM. Er ist einer meiner Angstgegner. Er spielt ungemein schnell, aggressiv und selbstsicher. Allein schon dadurch fühle ich mich eingeschüchtert. Ausserdem ist er immer hervorragend vorbereitet. Auch in dieser Partie bin ich in seine Vorbereitung hinein gelaufen, und hatte entsprechend schlechte Karten. Nach dieser Partie habe ich mich gewundert, weshalb er nicht schon längst GM war. Mit dieser Analyse versuche ich auf diese Frage eine Antwort zu geben.

1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 a6 4.La4 g6 5.c3 Lg7 6.d4

Das alles kam wie üblich wie aus der Pistole geschossen, und er hielt diese Pace bis zum 13. Zug durch, wo er vier Minuten mehr auf der Uhr hatte als am Anfang.

Ich erinnerte mich, dass ich in dieser Variante in einer Blitzpartie Probleme hatte, und in der Analyse auf eine nicht ganz überzeugende Fortsetzung kam, wonach ich beschloss, das Problem später wieder anzusehen. Zu meinem Pech vergass ich, diese Stellung genauer zu untersuchen. Mit meinen nächsten Zügen folge ich den Computer-Empfehlungen. Ich wusste, dass damit etwas falsch sein musste, angesichts der Überzeugung, die Jean-Noël an den Tag legte, aber ich fand keine Alternativen, und liess es mir zeigen.

Er meinte nach der Partie, dass ich 5…d6 6.d4 Ld7 hätte spielen müssen, da das da komplett verloren sei. Nun, ein Zug wie 5…d6 kommt für mich nicht in Frage. Nach langem Suchen fand ich dann die Zugumstellung 6…b5 7.Lb3 exd4 8.cxd4 Sge7, welche ins normale Fahrwasser dieser Variante überleitet. Eigentlich nicht schwer, oder? Das Problem ist eher psychologisch: Man sollte b5 nie zu früh spielen. Hier allerdings ist der Zug schlicht notwendig.

6…exd4 7.cxd4 Sge7 8.d5 Sa5 9.Ld2

Da liegt der Hund begraben. Er bekommt die Initiative. Hinzu kommt das Problem, dass Computer diesen Zug nicht ernst nehmen, und ich ihn bei einer oberflächlichen Analyse hätte übersehen können. Allerdings war ich in besagter Blitzpartie genau deswegen untergegangen, vielleicht gegen Jean-Noël selber, wer weiss. Ich muss ganz einfach Bescheid wissen, wenn ich diese Variante spielen will.

9…Lxb2 10.Lxa5 Lxa1 11.Sc3 Lxc3 12.Lxc3 0-0 wäre verloren, da war ich mir sicher. Er hatte 13.Lf6 vorbereitet und zeigte mir in der Analyse, dass 13…a5, um 14…Ta6 vorzubereiten, hier der einzige Zug wäre. Wenn so ein Zug der einzige ist, dann muss die Stellung wirklich miserabel sein. Der Computer hält vorerst andere Züge als 13.Lf6 für besser, was beweist, dass er sich eingehend mit der Variante befasst hatte.

Ich sah 9…c5 10.Lc3 Lxc3 11.Sxc3 b5, was in einer Partie Riff-Klauser, Schweizer Mannschaftsmeisterschaft 2014 vorkam, welche Partie mir aber leider nicht bekannt war. Jean-Noël spielte dort konsequent 12.d6 Sec6 13.Lc2, was ein erneuter Beweis ist, dass er das schon lange in petto hatte. Für meinen Teil fand ich, dass ich so etwas nicht spielen wollte, und hielt lieber nach Gegenspiel Ausschau.

9…Sc4 10.Lc3 Lxc3+ 11.Sxc3 0–0 12.Lb3 Sa5 13.Lc2 d6

Wie gesagt, war bis hierher sein Bedenkzeit-Verbrauch negativ, er hatte noch Bedenkzeit hinzu gewonnen. Ich verbrauchte ebenfalls nicht viel Bedenkzeit, indem ich einfach der Schablone für diese Variante folgte. Ich war insofern mit einem blauen Auge davon gekommen, als meine Stellung nicht ganz verloren ist, aber mit dem Fehlen des Lg7 einen schwer wiegenden Defekt hat. Nun lag es an ihm, wie er es gewinnen wollte. Er wusste bestimmt, dass die Bewertung um die +0.5 bis +0.6 lag. Nur musste er ab sofort selber spielen.

Ich kann nicht genug betonen, dass um die Initiative unter allen Umständen gekämpft werden muss. Das war mit 14.b4 Sc4 15.Lb3 Sb6 16.Dd2 möglich. Nach 16…Lg4 17.Sg5 f6 18.h3 Ld7 19.Sf3 ist für mich nicht mehr viel zu machen. Er äusserte in der Analyse die Ansicht, dass er nun vollautomatisch gewinnen müsste, und begann zu konsolidieren.

14.h3 c6

Ein essentieller Zug. Das habe ich immerhin gelernt, dass verteidigen ohne Konter nicht geht. Auf 15.0-0 hätte ich 15…b5 gezogen. Seine Aufgabe ist nicht einfach. Sein nächster Zug ist eine krasse Fehleinschätzung.

15.dxc6? Sexc6 16.0–0

Er war immer noch sehr überzeugt von seiner Stellung, aber ich spürte, dass ich das Gröbste überstanden hatte. Das Dumme war nur, dass ich nun keine Zwangszüge mehr machen musste, sondern selber wählen durfte. Das Schachgefühl empfahl mir 16….Le6, was der korrekte Zug gewesen wäre und wohl zum Ausgleich gereicht hätte. Dann aber kam mir in den Sinn, dass man selber Drohungen aufstellen sollte…

16…Sc4 17.b3

…aber womöglich, ohne dabei seine Figuren ins Abseits zu manövrieren. 17…S4e5 war noch in Ordnung, aber es entsprach nicht dem, was ich mit 16…Le6 haben konnte. Der Springer steht auf a5 eher besser als auf e5.

17…Sa3? 18.Ld3 Sb4 19.Le2 b5 20.Sd4 Lb7

So hatte ich nun meine Springer ins Nirwana geschickt. Nun war es bereits wieder an ihm, einen Gewinnversuch zu unternehmen, aber ganz harmlos war mein Spiel nicht, ich strebte den nächsten Konter, d6-d5 an. Sauber wäre nun 20.Dd2 gewesen, was den Sb4 unter Beschuss nimmt und Scxb5 droht. 21…d5 22.Sb1! Da5 23.e5 Sxb1 24.Taxb1 mit grossem positionellem Übergewicht. Seinen nächsten Zug hätte ich auch gemacht, aber der ist keineswegs die Lösung des Stellungsproblems.

21.Dc1 Da5 22.Db2

Angebracht war der Konter 22…d5 23.exd5 Sxd5 24.Sxd5 Lxd5. Jetzt geht 25.b4 wegen Db6 nicht, aber 25.Tad1 deckt den Springer und droht b4. Nach 25…b4 hat er das Opfer 25.Sf5. Darauf hätte ich es ankommen lassen müssen, denn nach allen anderen Zügen bin ich aus dem Schneider. Abgesehen davon habe ich es nicht gesehen, und so offensichtlich, dass er es ohne weiteres riskieren würde, ist es auch nicht. Ich muss mir schon vorwerfen, dass ich ständig Konter predige, sie dann aber selber auslasse. Mein nächster Zug ist auch in Ordnung, aber wohl etwas zu anspruchsvoll für meine Spielstärke.

22…Tac8 23.Tac1

Ursprünglich wollte ich 23…Tc5 24.Tfd1 Dc7 spielen, was mich im Spiel hält. Nach 25.Dxa3 Txc3 hat er gar nichts. Ich drohe 25…Sbc2 26.Sxc2 Sxc2 27.Txc2 b4. Er hätte mit 25.Lf3 Tc8 26.Sce2 Sac2 27.Sxc2 Txc2 28.Txc2 Dxc2 29.Dxc2 Txc2 30.a3 Sc6 31.Txd6 einen Bauern gewinnen können, aber mein Gegenspiel ist nicht zu unterschätzen.

Hier glaubte ich, Ausgleich zu haben, und wollte auf e4 drücken.

23…Tfe8? 24.Tfd1 Tc5 25.Lf3 Tec8 26.Lg4

Das hatte ich übersehen. Wenn ich mit 26…Tce8 zurück gehe, nimmt er meinen Bd6 unter Beschuss: 27.Sde2, meine Figuren spielen nicht mehr mit, und sein Druck wird unerträglich.

26…T8c7?

Ob sie es glauben oder nicht, ich sah 27.Se6, aber ich traute es ihm nicht zu. 27…fxe6 28.Lxe6+ Kf8 29.Sd5 Sxd5 30.Dh8+ Ke7 31.cxd5 und die Mattdrohung Dg7+, Dg8+, Df7+, Df8# entscheidet. Leider gewinnt auch der Textzug.

27.Sde2 d5 28.exd5 Sxd5 29.Sxd5 Txd5

30.b4 gewann. 30…Txc1 31.Txc1 Da4 32.Sf4 Sc4 33.Df6 und Schluss. Der Turm hängt, und wenn ich ihn wegziehe, kommt Se6. Er lässt noch einmal Luft herein.

30.Lf3 Tc2 31.Df6

31…Txd1 32.Txd1 Td2 33.Tc1 Sc2, und es ist noch längst nicht aller Tage Abend. Einzig 34.b4! hielt den Vorteil fest. 34…Dxb4 25.Lxb7 Txe2 36.Ld5 Df8 38.Kf1 Td2 38.Lb3 und gewinnt. Aber auf 34…Dc7 muss er den Gewinnweg 35.Sg3! Lxf3 36.Sf5! gxf5 37.Dg5+ nebst Dxd2 erst einmal finden.

31…Tc6?? 32.De7 Txd1+

Das hätte ich mir und ihm schenken sollen, sorry.

33.Txd1 Dc7 34.Td8+ Kg7 35.Df8+ Kf6 36.Lxc6 Lxc6 37.Dd6+ 1–0

Seine Vorbereitung war nach dem 13. Zug zu Ende, danach stand er so gut wie auf Gewinn, aber er verschenkte innert zwei Zügen seinen Vorteil durch oberflächliches Spiel. Nach meinen Ungenauigkeiten hatte er im 21. Zug erneut einen grossen Vorteil, welchen er wieder nicht konsequent nutzte. Im 24. Zug stand er auf Gewinn, liess aber in der Folge zwei Gewinnzüge aus. Er brauchte einen weiteren Fehler meinerseits, der dann im 31. Zug kam.

IM Christian Maier (2350) – GM Sergei Owsejewitsch (2580)
SMM, 14.02.2010

1.e4 c5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 d6 4.0–0 Ld7 5.Te1 Sf6 6.c3 a6 7.Lxc6 Lxc6 8.d4 Lxe4 9.Lg5 Lc6 10.Lxf6 gxf6 11.d5 Ld7 12.Sbd2 Dc7

Christian ist eigentlich ein FM mit Zwischenhoch, wie Markus Klauser. Nichtsdestotrotz ist er ein sehr gefährlicher Gegner, wie ich selber feststellen musste. In zwei Partien nahm er mich nach allen Regeln der Kunst auseinander,  in einer dritten entschlüpfte er mir in mirakulöser Weise mit einer Figur weniger ins Remis.

Sergei Owsejewitsch schreibt sich in den Datenbanken Ovsejevitsch. Ich bleibe bei der deutschen Schreibweise. Auf englisch müsste er  sich Ovseevitch nennen. Seine materialistische Einstellung lernte ich selber in einer Rapid-Partie kennen. Er frass einen meiner Bauern zuviel, aber schwindelte sich dann trickreich heraus.

Hier prallen schachliche Weltanschauungen aufeinander. Einerseits Christian, dem es für den Angriff auf einen Bauern mehr oder weniger nicht ankommt, anderseits Sergei, der bereits einen Bauern mehr hat und zudem mit Läuferpaar gegen Springerpaar spielt.

Mit 13.Se4 würde er Sxf6+ drohen und Schwarz praktisch zur langen Rochade zwingen, denn nach 13…Lg7 14.Sh4 kann Weiss einen Springer auf f5 installieren. Aber nach 13…0-0-0 wird der Se4 selber zum Angriffsobjekt. Der nächste (methodische) Zug ist für Christian typisch. Er wendet sich sofort gegen die lange Rochade.

13.b4

13…cxb4 14.cxb4 Tc8 15.Sd4 wäre eine Alternative gewesen. Er stellt den König nach d8 und versucht den Angriff mit seiner aktiven Dame und einem Gegenspiel auf der g-Linie abzufedern.

13…f5 14.Sg5

Selbstverständlich. Er hindert ihn an der Rochade und droht Dh5. Das hätte Schwarz unbedingt mit 14…h5 verhindern müssen. Nach etwa 15.De2 cxb4 16.axb4 Tc8 hat Weiss keine besonderen Perspektiven und muss darauf hoffen, dass Schwarz nicht so leicht aus seiner Passivität heraus kommt.

14…Tg8? 15.Dh5 Tg6 16.Sdf3 cxb4

Es gab nichts besseres. Nach 17.cxb4 Dc3 kommt seine Dame ins Spiel. Weiss konnte auch 17.Tac1 probieren, mit der Idee 17…bxc3 18.Dxh7 Tg7? 19.Txe7+Kxe7 20.Te1+ Kd8? 21.Dh8 und gewinnt. Die korrekte Antwort wäre auf 17.Tac1 17…Dc4 18.Dxh7 Tg7 21.Dh8 bxc3 22.Sh7 Txh7 23.Dxh7 Tc8 mit beidseitigen Chancen.

17.Dxh7 Tg7 18.Dh5

Verständlich, dass er den Druck auf f7 nicht aufgeben will, aber 18.Dh4 wäre eine Spur genauer gewesen, weil dann auf 18…Dxc3 18.Tac1 Df6 19.Df4 möglich ist.

Dieses 18…Dxc3 19.Tac1 Df6 20.Dh4 ist nun schon die einzig korrekte Verteidigung.

Auf 18…bxc3 bekommt Weiss eine lange Initiative: 19.Sxf7 Txf7 20.Sg5 0-0-0 21.Sxf7 Te8 22.Sg5 Dc4 23.Se6 Dxd5 24.Tac1 Lc6 25.f3 Dd2 26.Dxf5 Lh6 27.Da5 Le3+ 28.Kh1 Kb8 29.Dxc3 Dxc3 30.Txc3 Ld2 31.Txc6 bxc6 32.Te2 mit Endspielvorteil.

18…0-0-0 19.Sxf7 Te8 20.cxb4 Kb8 mit klarem weissem Vorteil.

18…Dc4? 19.Sxf7 Dg4

Vermutlich hat er übersehen, dass jetzt 19…Txf7 20.Sg5 Dxd5 an 21.Ted1 Dc4 22.Td4 scheitert.

20.Sxd6+ Kd8 21.Dxg4 fxg4 22.Sxb7+ Kc7 23.Se5 bxc3 24.Sc5 Lf5 25.Tac1 Kd6 26.Txc3 Tc8

Christian konnte seine Figuren mit diversen Tricks in Sicherheit bringen und jetzt hat er die Gelegenheit, noch etwas zu zaubern.

27.Sc4+ Kxc5 28.Se3+ Kd4 29.Sxf5+ Kxc3 30.Tc1+ Kb2 31.Txc8 Tf7 32.Se3 Kxa2 33.Sxg4 1–0

Christians Züge waren nicht schwierig zu finden. Methodisches Spiel ist gerade gegen Gegner, die einem mit Sicherheit technisch überlegen sind, auf jeden Fall empfehlenswert.

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