Ich habe lange gebraucht, um eine halbwegs spannende 1600-er Partie zu finden. In dieser Spielstärke wird meist schablonenhaftes, langweiliges, durch gelegentliche Einsteller gewürztes Spiel gepflegt. Diese Partie ist eine Ausnahme.
Es fiel mir auch auf, dass Mädchen unheimlich viel Eröffnungstheorie kennen. Das setzt sich beim Frauenschach fort. Es ist kein Zufall, dass der ultimative Stand der Theorie meist in Damen-Partien vorkommt.
Alexander Lübbe (1626) – Timo Junker (1680)
Dortmund Open-B, 7.8.2003
1.d4 f5 2.Sf3 Sf6 3.c4 g6 4.Sc3 Lg7 5.Lf4 d6 6.Dc2 0–0
Weiss wurde offenbar durch den schwarzen Aufbau überrascht. Er sollte mit 7.e3 weiter entwickeln, aber vielleicht gefiel ihm nicht, dass Schwarz dann mit 7…Sh5 seinen Läufer belästigen kann. Er ändert den Plan.
7.Dd2 De8
Durch den schwachen 7. Zug von Weiss hätte nun Schwarz die Möglichkeit zu 7…Se4 gehabt. Z. B. 8.Sxe4 fxe4 9.Sg5 Sc6 10.d5 Sd4 mit der Drohung Txf4.
Methodisch wäre der Angriff 7…Sc6, was 8…Se4 droht, z. B. 7.d5 e5 8.Lh6 Lxh6 10.Dxh6 Sb4 mit sehr schönem Spiel.
7…De8 ist ein Leningrader Schablonenzug. Er will nicht recht in die Stellung passen. Weiss hätte nun mit dem angestrebten 8.Lh6 fortsetzen sollen. Er beschliesst, „zunächst“ zu rochieren.
8.0–0–0? Se4 9.Sxe4 fxe4 10.Sg5 Da4
Nun hat 7…De7 doch Früchte getragen. Weiss sollte 11.Kb1 spielen, um 11…Dxc4 mit 12.e3 zu beantworten. Danach hat Schwarz Mühe, ein gutes Feld für die Dame zu finden.
11.Sxe4 Dxc4+
Er nimmt den falschen Bauern. 11…Dxa2, und c4 hängt immer noch. 12.e3 Sc6, das droht 13…Sxd4, 13.Sc3 Da1+ 14.Kc2 Da5 mit Gewinnstellung.
12.Sc3
12…Sc6 13.e3 Df7 14.d5 Se5 15.f3, Weiss ist zurück im Spiel.
Schwarz macht den methodischen Zug.
12…e5
13.e3 Df7 14.dxe5 dxe5 15.Lg3 Le6 16.Kb1 Sc6 17.Ld3 Tad8 18.a3 Sa519.De2. Es ist nicht schwer, Drohung für Drohung die Initiative zu behalten. Schwarz hat starken Angriff.
13.e4
13…Df7 14.Lh6 Lxh6 15.Dxh6 exd4 16.Txd4 Le6 war notwendig, es droht 17…Dxf2 und 17…Lxa2. Das Schlagen des a-Bauern wäre nicht mit einer Drohung verbunden, daher 17.Td2 Lxa2, was Weiss Zeit für den „Verzweiflungsangriff“ 18.h4 gibt.
13…Dxd4?
Die Lage dreht sich nach nach dem methodischen Angriff 14.Dc2 Db4 15.Sd5 Da5 16.Ld2 Dxa2 17.Sxc7 um 180°.
14.Dxd4? exd4 15.Sd5 Sc6
Besser ist 15…Tf7, was die Drohung bedient und selber c7-c6 droht. Weiss sollte nun seinerseits bedienen, 16.Lg3 Tf7 war dann richtig. Weiss nimmt materialistisch die Qualität.
16.Sxc7 Txf4 17.Sxa8 Txf2 18.Sc7 Lg4
Nur das eigentlich selbstverständliche 19.Lc4+ Kh8 20.Tdf1 Txg2 21.Thg1 gab ihm Überlebenschancen. Er vergisst zum x-ten Mal, auf c4 ein Schach zu geben. Mit dem folgenden schönen Mattangriff beweist Timo Junker, dass er zu Unrecht das Schachspielen aufgegeben hat.
19.Td3 Sb4 20.Tg3 Tc2+ 21.Kb1 d3 22.Txg4
22…Txb2+ 23.Kc1 Lc3 hätte undeckbares Matt durch 24…Sxa2+ nebst 25…Tb1# gedroht. Jetzt geht es einen Zug länger, ist aber ebenso hübsch.
22…d2 23.Lc4+ Kh8 24.Lb3 Txb2+ 25.Ka1 Txb3+ 0–1