Rusakow – Werlinski
Russland 1913
1.e4 e5 2.c3
Ein Plan. Er will mit d2-d4 das Zentrum besetzen. Schwarz sollte nach der Methode sofort den e-Bauern angreifen, durch 2…Sf6 oder 2..d5.
2..Sc6 3.d4 Sf6
Zu 3…d5 wäre es noch nicht zu spät gewesen.
4.Lg5?
Das droht nichts. Methodische Züge waren
4.d5 Se7 5.Sf3 Sxe4 6.Sxe5 Sg6 , 7.De2 De7 8.Dxe4 Dxe5 9.Dxe5 Sxe5
4.Sf3 Sce4 5.Ld3 d5. 6.Sxe5 Ld6 7.Sxc6 bxc6
Der Zug ist eine Einladung zum methodischen 4…d5. Schwarz greift aber mechanisch den Läufer an.
4…h6?
Jetzt könnte Weiss nach 5.Lxf6 Dxf6 6.Sf3 sehr zufrieden sein. Statt dessen stellt er einen Bauern ein
5.Lh4?
5…exd4 gewann diesen. Erst nach 6.exd4 Lb4+ 7.Sc3 kommt 7…g5 8.Lg3 Sxe4.
5…g5?
Ermöglicht den Konter 6.dxe5 Sxe4 7.De2
6.Lg3? exd4?
Stärker war 6…Sxe4, Z. B. 7.Lxe5 Sxe5 8.dxe5 Lc5 9.Dd5 Lxf2+ 10.Ke2 f5 11.exf6 Sxf6
Weiss sollte sich mit dem Bauernverlust abfinden, und 7.Ld3 versuchen, er glaubt aber, nun seinerseits einen Konter zu haben
7.e5?
7…Se4, und 8.cxd4 geht wegen 8…Lb4+ nicht. Er behält den Bauern, und ist erst noch besser entwickelt.
7…dxc3??
8.Sxc3 übernimmt die Initiative, Schwarz muss mit 8…Sh7 passiv verteidigen.
8.exf6??
Bereitet den Konter im nächsten Zug vor. Kontra!
8…cxb2
Der erste gute Zug seit langem. Rekontra!
9.De2+. Hirsch! 9…De7!! Paradiesvogel! 0-1
Für Uneingeweihte: In meiner Jugend pflegte ich um Geld zu blitzen. Eine schöne Sitte, die leider fast verschwunden ist. Wenn ich also mit Ihnen blitze, und denke, dass ich auf Gewinn stehe, gebe ich Ihnen ein Kontra. Sie haben dann die Wahl, zum einfachen Tarif aufzugeben, oder zum doppelten weiter zu spielen. Wenn Sie weiter spielen, haben Sie das Recht mir ein Rekontra, oder einfach ein Re! zu geben. Wenn ich, nun zum vierfachen Tarif, weiter spiele, erkaufe ich mir das Recht, Ihnen meinerseits einen Hirsch! (die Steigerung von Reh) entgegen zu schleudern, was den achtfachen Einsatz bedeuten würde. Der sechzehnfache Einsatz Paradiesvogel ist mir in meiner ganzen Karriere nie vorgekommen.
Ich brauche zur Illustration meiner Methode keine Partien zu erfinden. Es gibt massenhaft solche.
Ni Hua – Le Quang Liem
11. Asienmeisterschaft 2012
1.e4 c5 2.Sf3 d6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sf6 5.Sc3 a6 6.Le3 e6 7.Le2 Dc7 8.g4 b5 9.g5 Sfd7 10.a3 Lb7 11.Dd2 Sc6 12.Sxc6 Lxc6 13.f4 Sc5 14.Lf3 Db7 15.Dd4 e5 16.fxe5 Se6 17.Dd2 dxe5 18.Sd5 Ld6 19.0–0–0 0–0 20.h4 a5 21.h5 b4
Ni musste hier zwischen 22.a4 und 22.h6 wählen.
22.a4 würde ihm für ein paar Tempi Luft verschaffen, um mit seinem Königsangriff fortzufahren. Vielleicht hat er 22…Lxa4 23.b3 Lxb3 24.cxb3 Tfc8+ 25.Kb1 a4 überschätzt, oder seinen eigenen Angriff mit 26.h6 unterschätzt. 22.a4 wäre der korrekte Zug gewesen, nach 22.h6 ist der schwarze Angriff viel stärker, als in der genannten Variante.
22.h6? bxa3 23.b3 Tfc8
24…a4 ist zur tödlichen Drohung geworden. Er beginnt zu improvisieren.
24.Sb6 Lb4 25.Dh2
Nach der Methode müsste jetzt 25…a2 kommen. 26.Kb2 Lc3+! 27.Kxc3 Lxe4+ 28.Kb2 Lxf3
Er kommt nach 29.hxg7 Lxh1 30.Txh1 De4 gerade so dazu, h7 zu decken und c2 anzugreifen.
25…Lxe4 26.hxg7 a2 27.Kb2 a4 28.c4
Le drohte, durch 28…Lc3+ zu gewinnen. Aber nun droht Ni seinerseits mit 29.g6 den Sack zuzumachen.
28….Sxg5 verhindert dies und gewinnt.
28…axb3 29.g6
Schwarz steht vor undeckbarem Matt. Seine einzige Chance ist, noch ein paar Schachs zu geben, in der Hoffnung, dass etwas daraus wird. Eines hat er noch:
29…La3+, auf 30.Ka1 kommt 30…b2+, auf 30.Kc3 Txc4+, somit
30.Kxb3 a1S+, was sonst?
31.Txa1 Dxb6+, denn nach 31…Sd4+ 34.Lxd4 ist Schluss.
32.Lxb6 Sd4+. Oha. Auf 33.Lxd4 kommt 33…Tcb8+ und Matt in drei.
33.Kc3 Txc4+. Schlimm. 34.Kxc4 Tc8+ und Matt im nächsten.
34.Kd2 Sxf3+, und gewinnt die Dame.
Eine Partiestudie. In Studien muss eine Partei eine Serie von einzigen Zügen machen, um das geforderte Resultat – Gewinn oder Remis – zu erreichen.
30…h5?? 30.Dxh5 La3+ 31.Kxb3 1–0
Konter sind das allerwichtigste Element in der Verteidigung. Als Verteidiger muss ich immer und überall darauf achten, Konter vorzubereiten und wenn möglich zu platzieren.
Wolfgang Uhlmann – Wassily Smyslow
Hastings (7), 1972
1.c4 e5 2.Sc3 Sc6 3.Sf3 Sf6 4.g3 Lb4 5.Lg2 0–0 6.0–0 e4 7.Sg5 Lxc3 8.bxc3 Te8 9.f3 exf3 10.Sxf3 d5 11.cxd5 Sxd5 12.e4 Sb6 13.d4 Lg4 14.h3 Lh5 15.e5 Sd5 16.Ld2 Dd7 17.g4 Lg6
Wolfgang Uhlmann bezeichnet diese Partie in KARL 1/2002 als seine Lieblingspartie.
Zur Lage: Smyslow war der Meister der Manövrierkunst. Besonders in schlechten Stellungen gelang es ihm immer wieder, seine Gegner auflaufen zu lassen und ihnen keinen Hebel zu geben. Solch eine schlechte Stellung hat er hier. Laut Computer steht es +1 für Weiss. Nur, was soll Uhlmann hier unternehmen? Seine Zentralbauern sind blockiert, denn 16.c4 Sb6 bringt nur sein Zentrum unter Beschuss. Hebel hat er keinen. Die Maschine plädiert für 16.Tf2 Sa5 19.Sh4 Sc4 20.Sxg6 fxg6.
Uhlmann entschliesst sich zu einem scharfen Angriff.
18.Sg5 Sa5 19.h4?!
Die Drohung 20.h5 zwingt Schwarz zum Handeln.
Den Konter 19…f6 erwähnt Uhlmann nicht, obwohl er die Partie auf zwei A4-Seiten analysiert, und insbesondere die folgende Gewinnführung ausgiebig kommentiert. Das ist schon bemerkenswert, da auch Smyslow es offenbar nicht gesehen hat.
20.exf6 Sxf6 21.h5 Ld3 bringt nichts.
20.h5 Ld3 21.Df3 Lc4 22.exf6 Sxf6 23.Df5 Te2 (nicht 23…Lxf1 24.Dxd7 Sxd7 25.Ld5+). 24.Dxd7 Sxd7 25.Lf4 c6. Eine typisch Smyslow’sche Gummiwand.
20.Lxd5+ Dxd5 21.exf6 gxf6 22.Txf6 Sc4 mit gefährlichem Gegenspiel.
20.Df3 c6 21.h5 Lc2 22.Tac1 Sc4 23.Txc2 Sxd2 24.Txd2 fxg5 25.Df5. Weiss hat Positionsvorteil.
19…f6 war schlicht der einzige Zug in dieser Stellung. 19…h6 ist der entscheidende Fehler.
Nachtrag: In seinem ausgezeichneten Buch „Meine besten Partien“. 2015 erschienen, hält Uhlmann 20.h5 für das Stärkste, und lässt Smyslow nach 20.h5 Ld3 21.Df3 Lc4 22.e6!? De7 23.Df5 fxg5 24.Lxd5 Tf8 25.De5 mit Txf1?? verlieren. 25…h6 wäre ausgeglichen. Eigenartig. Er erwähnt anderswo, dass er er mit Fritz 15 analysiert hat. Aber auch ein Fritz 15 macht nicht solche Fehler. Es scheint mir, dass er einfach Varianten aus dem Engine-Fenster kopiert hat. Sowas geht natürlich nicht, man muss die Varianten schon ausspielen.
19…h6? 20.h5 hxg5 21.hxg6 fxg6
Weiss steht auf +2, aber die Gewinnführung ist nicht einfach. Hier hätte er einen Zug für die Galerie gehabt: 22.Da4, die Dame ist wegen 22…Dxa4 23.Lxd5+ Kh7 24.Tf3 tabu. 22…Sc6 23.Db3 Tad8 24.Lxg5 mit Qualitätsgewinn, aber vielen technischen Problemen nach 24…Dxg4 25.Lxd8 Txd8.
22.Df3 c6 23.Lxg5 Sc4 24.Dh3 De6
Hier zeigt Uhlmann sehr schön, dass er nach 24…Tf8 mit 25.Le4 De6 26.Lf5 gxf5 27.gxf5 De8 28.Tae1 Se7 29.Lxe7 Dxe7 30.f6 gxf6 31.Kh2 gewonnen hätte.
25.Tf2 Tf8 26.Lf3 Sxc3 27.Taf1 Txf3 28.Dxf3 Sb5 29.Kg2 Sxd4 30.Df8+ 1–0
Zurück zu Training, Weiter zu Entwicklung