Vizemeister 1996

1996 wurde der SK Luzern Vizemeister. Vor den beiden Schlussrunden, die im noblen Genfer Ramada Crowne Plaza (oder so ähnlich) stattfanden, allerdings im tageslichtlosen Untergeschoss, hatten wir so gut wie keine Chancen auf den Titel mehr. Aber am Samstag verlor der Leader Genf völlig überraschend gegen den designierten Absteiger Mendrisio, und am Sonntag überstürzten sich die Ereignisse. Nach der Niederlage Genfs in der 8. Runde brauchten wir nur noch Schwarzweiss Bern zu schlagen…

Enrique Almada – Werner Kaufmann
1.d4 d5 2.Sf3 Sf6 3.c4 dxc4 4.e3 Lg4 5.Lxc4 e6 6.Sc3 a6 7.O-O c5 8.De2 Sc6 9.Td1 Dc7 10.h3 Lh5 11.g4 Lg6 12.d5 exd5 13.Sxd5 Sxd5 14.Lxd5 Le7 15.e4 h5 16.g5 h4 17.Ld2 Lh5 18.De3 Sd4 19.Sxd4 cxd4 20.Db3 Lxd1 21.Lxf7+ Kf8 22.Txd1 Lxg5 23.Lb4+ Le7 24.Lg6 Lxb4 25.Df3+ ½-½

1.d4 d5 2.Sf3 Sf6 3.c4 dxc4 4.e3 Lg4 5.Lxc4 e6

Das war damals meine Lieblingsverteidigung gegen 1.d4 und ich erreichte damit ein sensationelles Score. 1997 gewann ich damit sogar gegen einen GM, Lucas Brunner, und am Bieler Rapid habe ich einmal den Supertheoretiker Lajos Portisch glatt überspielt, verlor aber trotzdem. Petrosian gewann damit eine wegen seiner Königswanderung berühmte Partie gegen Kasparow.

6.Sc3 a6 7.O-O c5 8.De2 Sc6 9.Td1 Dc7 10.h3 Lh5

Die Spielweise mit c7-c5 war mein privates Patent, Normalerweise strebt man einen Aufbau mit e6-e5 an.

11.g4

Der sonst so supervorsichtige Enrique spielt unerwartet aggressiv. Mit 11.d5 exd5 12.Sxd5 Sxd5 13.Lxd5 Le7 erreicht Weiss wenig. Laut Stockfish war hier das freche Opfer 11…Sxg4 12.hxg4 Lxg4 drin. Ich verschwendete natürlich keinen Gedanken daran.

11…Lg6 12.d5 exd5 13.Sxd5 Sxd5 14.Lxd5 Le7 15.e4 h5

Jetzt hatte er trotzdem d5 gespielt, aber das wollte nicht recht zu g4 passen. Nach 15…O-O fürchtete ich 16.h4, aber 15…Td8 oder 15…Sb4 waren gute Züge. Die Verlockung, nun mit Harry zu stürmen, war für mich einfach zu gross.

16.g5 h4

16…O-O war nun wegen 17.Sh4 ganz schlecht. Der Textzug bereitet Lh5 vor. Er findet die optimale Verteidigung.

17.Ld2 Lh5 18.De3

Ich erinnere mich, dass ich lange an 18…f6 herumstudierte, am Ende war das mir einfach zu heiss, und ich suchte nach Alternativen, aber auch beide Rochaden kamen mir verdächtig vor. So stürzte ich mich in folgende Abwicklung.

18…Sd4 19.Sxd4 cxd4 20.Db3 Lxd1?

Dass das ein Fehler war, merkten wir erst nach der Partie. Korrekt war 20…O-O 21.Tdc1 Dd8 mt offenem Ausgang.

Er hätte in aller Seelenruhe zurücknehmen können, 21.Txd1, denn Schwarz hat nichts besseres als 21…O-O, wonach 22.g6 gewinnt. Das Schicksal nimmt verschlungene Wege. Hätte er diesen Gewinn gesehen, wäre uns vermutlich folgende Partie erspart geblieben.

21.Lxf7+? Kf8 22.Txd1 Lxg5 23.Lb4+ Le7 24.Lg6 Lxb4 25.Df3+ ½-½

Ich hätte mit 25…Ke7 26.Df7+ Kd8 27.Txd4+ Kc8 28.Tc4 Lc5 29.Dxc7+ Kxc7 30.Txc5+ Kb6 auf Gewinn spielen können. Ich versuchte es zu berechnen, aber es gelang mir nicht. Ich war einfach zu aufgeregt.

Andreas Huss – Ali Habibi
1.d4 d6 2.e4 Sf6 3.Ld3 e5 4.c3 g6 5.Lg5 Lg7 6.Sf3 Sbd7 7.O-O h6 8.Lh4 O-O 9.Te1 De8 10.a4 Sh5 11.Lf1 Sf4 12.Sa3 a6 13.a5 Sb8 14.dxe5 dxe5 15.Sc4 Sc6 16.Se3 f6 17.Lg3 Se6 18.Sd5 Kh7 19.b4 Ld7 20.Db3 Scd8 21.Ta2 Tc8 22.Sd2 Tf7 23.Sc4 Lc6 24.Sce3 h5 25.Lc4 Lb5 26.Lxb5 axb5 27.f3 Ta8 28.Td1 Lh6 29.Lf2 Sf8 30.Dc2 Sde6 31.De2 c6 32.Sb6 Tb8 33.Tad2 Sf4 34.Df1 Kg8 35.Td6 Lg5 36.h4 Lh6 37.c4 bxc4 38.Sexc4 S4e6 39.g3 Sc7 40.T6d3 De6 41.Td6 De8 42.Dd3 Sb5 43.Td8 Txd8 44.Dxd8 De6 45.Kg2 Lg7 46.Dc8 Tc7 47.Db8 f5 48.Sd6 Te7 49.Sxb5 cxb5 50.Dd8 fxe4 51.fxe4 Df7 52.Dd5 Tc7 53.Dxf7+ Kxf7 54.Td5 Tc2 55.Txb5 Se6 56.Sd5 Sd8 57.Tc5 Txc5 58.Lxc5 Sc6 59.Lb6 Lf8 60.b5 Sb8 61.Lc7 Sd7 62.Sb6 Sc5 63.Lxe5 Ke6 64.Ld4 Ld6 65.Sc8 Sxe4 66.a6 bxa6 67.bxa6 Lb8 68.a7 Lxa7 69.Sxa7 Kd5 70.Le3 Sd6 71.Lf4 Sf5 72.Sb5 Ke6 73.Kf3 Se7 74.Ke4 Sc8 75.Sd4+ Kf6 76.Lg5+ Kf7 77.Kd5 Sb6+ 78.Ke5 Sd7+ 79.Kd6 Sb6 80.Sb3 Sc4+ 81.Kd5 Sb2 82.Sc5 Sd1 83.Ld2 Ke7 ½-½

In der Mega Database 2010 findet sich der Schlusssatz: „Rest der Partie ist nicht mehr vorhanden. Anstatt aufzugeben, beschimpfte Ali Habibi seinen Gegner und den Turnierleiter aufs Übelste, ohne Konsequenzen(!), dafür war Andreas Huss so entnervt, dass er die Partie remisierte…“

Ich habe irgend einmal die ganze Partie noch gesehen, Ich vermute, sie ist auf einer alten Fritz-CD noch drauf, vielleicht Fritz 5. Wenn Sie eine solche CD noch in der Schublade haben, bitte nachsehen. Die Partie gipfelte darin, dass Weiss in der Stellung W: Ke4, Bg3 S: Ke7 den Zug Kf4 machte…

Später einmal sprach ich Ali auf diese Partie an. Seine stärkste Erinnerung war, dass ihn unser Einsneunzig-Mann und Bodybuilder Gary im Gang am Kragen packte, ihn an die Wand drückte, und damit seinem dringenden Wunsch Ausdruck gab, Ali möchte nun endlich die Schnauze halten. Als zweites kam ihm in den Sinn, dass ihn der Genfer Mannschaftsleiter ständig ermunterte, ja nicht aufzugeben. Tatsächlich, das Wunder geschah…

Das Match endete unentschieden, und Genf wurde mit einem halben Einzelpunkt Vorsprung Mannschaftsmeister. In der nächsten Saison spielte Andreas Huss für Genf.