Eröffnungsstatistik

In meinem letzten Beitrag haben wir gelernt, dass schwache Spieler in der Eröffnung schwache Züge machen, starke Spieler starke Züge. Das habe ich dort anhand von Evans‘ Gambit untersucht, einer taktischen Eröffnung. Wie sieht es bei ‚gewöhnlichen‘ Eröffnungen aus? Etwa Damenindisch?

Pawel Jaracz – Mathieu Cornette
Bundesliga 2015
1.d4 Sf6 2.c4 e6 3.Sf3 b6 4.a3 La6 5.Dc2 Lb7 6.Sc3 c5 7.dxc5 bxc5 8.Lf4 Sh5 9.Lg5 Le7 10.Lxe7 Dxe7 11.e3 O-O 12.Le2 Sf6 13.O-O Sc6 14.Tfd1 Tfd8 15.Td2 a6 16.Tad1 h6 17.h3 Tab8 18.Da4 Kh8 19.Sh2 g5 20.Lf3 h5 21.g3 g4 22.hxg4 hxg4 23.Lg2 Kg7 24.Dc2 Se5 25.Lxb7 Txb7 26.Se4 Th8 27.Sxf6 Dxf6 28.De4 Txh2 29.Kxh2 Dh6+ 30.Kg1 Sf3+ 31.Kf1 Dh1+ 32.Ke2 Sg1+ 33.Kd3 Tb3+ 0-1

1.d4 Sf6 2.c4 e6 3.Sf3 b6 4.a3

Hier ist 4…Lb7 bei weitem der beliebteste Zug. Der Elo-Schnitt seiner Anwender liegt bei 2290. Dem gegenüber stehen 4…La6 mit 2364 zu Buche und 4…c5 mit 2353. Logisch, 4…Lb7 wird von jedem Patzer ohne nachzudenken gezogen, und hat dem entsprechend auch die geringste Erfolgsquote dieser drei Züge. Am besten schneidet 4…La6 ab.

Stockfish plädiert aber auch für 4…Lb7, und hält von 4…c5 wenig. Dieser Zug basiert auf der Modevariante 5.d5 La6 6.Dc2 exd5 7.cxd5 g6 8.Sc3 Lg7. Hier schlägt er unter anderem vor, dem schwarzen König mit Harry und Garry zuleibe zu rücken: 9.h4 O-O 10.h5 Sxh5 11.g4 Sf6 12.g5

4…La6

Hier ist 5.Dc2 der Theoriezug , hat aber nur den zweitbesten Eloschnitt hinter 5.Db3 und auch weniger Erfolgsprozente. Selbstverständlich schneidet der Patzerzug 5.e3 am schlechtesten ab, sowohl bei den Elo, als auch bei den Prozenten. Aber auch hier heisst das nicht, dass der Zug schwach ist.

5.Dc2 Lb7

Das ist der meist gespielte, der Computerfavorit, hat den besten Eloschnitt und gleichviel Gewinnprozente wie die Alternative 5…c5, die in obige Modevariante überleitet.

An dieser Stelle könnte man sich auch Gedanken über die so genannten Eröffnungsprinzipien machen. Schwarz hat soeben ein Tempo verschenkt, indem er den Läufer zweimal gezogen, und damit Weiss den Entwicklungszug Dc2 geschenkt hat.

An dieser Stelle empfiehlt Stockfish 6.Lf4. Es gibt aber zu wenig Partien für den Wert dieses Zuges. Immerhin spricht auch der Eloschnitt dafür.

Prozentual ganz schlecht schneidet der Patzerzug 6.Lg5 ab. Das liegt aber nicht daran, dass er schwach ist. Er wird einfach mit Vorliebe von Patzern gezogen.

6.Sc3

Meistgespielt, höchster Schnitt, beste Prozente. Was auch für den nächsten Zug von Schwarz gilt.

6…c5

Aber hier liegt 7.e4 bei allen Kriterien vorn. Es ist stark zu vermuten, dass dies auch der beste Zug ist. Die Theorie setzt mit 7.e4 cxd4 8.Sxd4 Lc5 9.Sb3 Sc6 fort, und hier hat Weiss manche gute Option.

7.dxc5 bxc5 8.Lf4 Sh5

Stockfishs Favorit, bester Schnitt. Die Gewinnprozente sprechen bereits für Schwarz, für den nächsten Zug von Weiss stehen sie genau bei 50 zu 50.

9.Lg5 Le7 10.Lxe7 Dxe7

Damit ist die Eröffnung vorbei, die Stellung komplett ausgeglichen. Es wird Schach gespielt. Schwarz ist der Favorit, er hat 100 Elo mehr.

11.e3 O-O 12.Le2 Sf6 13.O-O Sc6 14.Tfd1 Tfd8 15.Td2 a6

Wozu das gut sein soll, ist nicht klar. Stockfish findet die schwarze Stellung nach 15…Tab8 etwas angenehmer.

16.Tad1 h6 17.h3 Tab8 18.Da4 Kh8 19.Sh2 g5 20.Lf3 h5

Nach einigem Gewurschtel geht Schwarz volles Risiko, begünstigt durch das blauäugige 18.Da4. Einmal mehr stellt sich heraus, dass auch bei GM das taktische Gespür um Klassen schlechter entwickelt ist als das positionelle Verständnis. Er macht bereits hier den Verlustzug.

21.g3?

Die Aufgabe war keineswegs einfach. 21.b4 war ein guter Zug. Nach 21…cxb4 22.axb4 Sxb4 23.Da5 kommt die Dame ins Spiel. Die Hauptidee ist 21…g4 22.hxg4 hxg4 23.Lxc6 Lxc6 24.b5. Sogar 21.Lxc6 Lxc6 22.Dxa6 war laut Stockfish spielbar. Auch das natürliche 21.Se4 Sxe4 22.Lxe4 f5 23.Lxc6 Lxc6 24.Dxa6 scheint möglich. Verständlich, dass Weiss nie und nimmer seinen Läufer hergeben wollte, weil er die lange Diagonale fürchtete.

22…g4 22.hxg4 hxg4 23.Lg2

Das war sein Verteidigungsplan. Er scheitert kläglich.

23…Kg7 24.Dc2 Se5 25.Lxb7 Txb7 26.Se4 Th8 27.Sxf6 Dxf6 28.De4

Verliert trivial die Dame. Es war aber nichts mehr zu machen.

28…Txh2 29.Kxh2 Dh6+ 30.Kg1 Sf3+ 31.Kf1 Dh1+ 32.Ke2 Sg1+ 33.Kd3 Tb3+ 0-1