Elementar

Fehler sind die Würze des Schachspiels. Was sehen Sie lieber? Fehlerlose fünfstündige Grossmeisterpartien oder aufregende 10-minütige Blitzpartien? Kein Wunder haben diese Blitz- und Rapid-Events im Internet hunderttausende Zuschauer. Sie sind klar die Zukunft des Schachs.

Teimour Radjabow – Magnus Carlsen
World Blitz, Berlin 2015
1.Sf3 d5 2.d4 a6 3.e3 Sf6 4.c4 e6 5.b3 c5 6.Lb2 cxd4 7.exd4 Sc6 8.Sbd2 g6 9.Ld3 Lg7 10.O-O O-O 11.Tc1 b6 12.Te1 Lb7 13.a3 Tc8 14.De2 dxc4 15.bxc4 Te8 16.h3 Dc7 17.De3 Se7 18.Se5 Sf5 19.Lxf5 exf5 20.Sdf3 Lxf3 21.Dxf3 Se4 22.Te2 Dd6 23.Db3 Lxe5 24.dxe5 Dc6 25.De3 Tcd8 26.f3 Sc5 27.e6 Sd3 28.Td1 Sf4 29.Tee1 Txd1 30.Txd1 Sxe6 31.Dc3 f6 32.Dxf6 Tf8 33.Dh8+ Kf7 34.Dxh7+ Ke8 35.Dxg6+ Ke7 36.Kh1 Dxc4 37.Le5 Tf7 38.Ld6+ Ke8 39.Dg8+ Sf8 40.Lxf8 De2 41.Lb4+ 1-0

1.Sf3 d5 2.d4 a6 3.e3 Sf6 4.c4 e6 5.b3 c5 6.Lb2 cxd4 7.exd4 Sc6 8.Sbd2 g6

Anspruchsloser kann man mit Weiss kaum spielen. Anstatt mit dem normalen Le7 nebst b6 und Lb7 weiter zu machen, probiert Magnus einen für ihn typischen Zug. Er richtet sofort seinen Läufer auf das einzige Angriffsobjekt in der weissen Stellung, den Bd4.

9.Ld3 Lg7 10.O-O O-O 11.Tc1 b6 12.Te1 Lb7 13.a3 Tc8 14.De2 dxc4 15.bxc4 Te8 16.h3 Dc7 17.De3 Se7

Teimour hat weiterhin fleissig nichts getan. Aber jetzt steht eine Entscheidung an. Wie will er mit dem kommenden Sf5 umgehen? 18.Lf1 Sf5 19.Db3, meint Stockfish. Teimour entscheidet sich für den Tausch.

18.Se5 Sf5 19.Lxf5 exf5 20.Sdf3 Lxf3

Ebenfalls typisch für Magnus. Er will auf die hängenden Bauern drücken.

21.Dxf3 Se4 22.Te2?! Dd6??

Weiss sollte im 22. Zug irgend einen Damenzug machen, um gelegentlich den Springer zu vertreiben. Stockfish bevorzugt abwechslungsweise Df4 und De3.

22…Lxe5 23.dxe5 Tcd8 oder einfach 22…Tcd8 hätte Schwarz positionell in Vorteil gebracht. Der Springer wandert nach e6 und beherrscht von da aus das Brett.

Da ich 22…Dd6 zwei Fragezeichen verpasst habe, sehen Sie es natürlich. 23.Txe4 fxe4 24.Dxf7+ Kh8 25.Dxe8+ Txe8 26.Sf7+ Kg8 27.Sxd6.
Geht vielleicht 23.Txe4 f6? Nein, geht nicht. 24.c5 fxe4 25.Db3+ De6 26.d5 De7 27.d6+ De6 28.Dxe6+ Txe6 29.d7 Td8 30.c6 und gewinnt.

Der folgende Zug bekommt ebenfalls zwei Fragezeichen, weil er nicht nur den elementaren Gewinn auslässt, sondern zusätzlich in die oben besprochene positionell minderwertige Stellung einlenkt.

23.Db3?? Lxe5 24.dxe5 Dc6?!

24…De6, um den c-Bauern zu massieren, war stärker. Er wollte sich das Springerfeld e6 nicht verstopfen. Wahrscheinlich sollte Weiss jetzt 25.Ld4 ziehen, um nach 25…Sc5 den Springer wegzufressen. 26.Lxc5 Dxc5. Das sieht zwar auch schlimm aus, aber er hat 27.e6 mit Gegenspiel.

25.De3 Tcd8 26.f3 Sc5 27.e6!

Wow! Er packt seine Chance. Magnus hätte das mit 25…Sc5 verhindern können.

Neben dem Textzug kam auch 27…Txe6 in Frage, was nach 28.Dh6 f6 29.Lxf6 Txf6 30.Te7 Tf7 31.Txf7 Kxf7 32.Dxh7+ zu ewigem Schach führt.

27…Sd3 28.Td1 Sf4??

28…Sxb2 29.Txd8 Txd8 30.exf7+ Kg7 31.De5+ Df6 32.Dxf6+ Kxf6 33.Txb2 war nicht gut.

28…f4 29.De4 Dxe4 30.fxe4 Sxb2 31.Txd8 Txd8 32.Txb2 hingegen ist immer noch gut genug für ein ausgeglichenes Turmendspiel.

29.Tee1?

29.Ted2 Txd2 30.Txd2 und es ist aus. 30…Sxe6 31.Dc3 verliert elementar. Nach 30…Sh5 31.g4 geht der Springer verloren.

30…Dc5 31.Ld4 Dd6 32.c5 bxc5 33.Lc3 erkämpft sich den Zugang zur langen Diagonale. 33…Dc7 scheitert an 34.Td7, 33…Db8 an 34.exf7+. Mit 33…Sxh3+ den Springer zu geben, ist witzlos. 34.gxh3 Dxe6 35.Dxc5.

29…Txd1 30.Txd1 Sxe6??

Der Unterschied zur vorherigen Stellung ist, dass jetzt nach 30…Dc5 31.Ld4?! Dd6 der Läufer gefesselt ist. Weiss hat nach der ausgefeilten Variante 30…Dc5 31.Dxc5 bxc5 32.e7 Se2+ 33.Kf2 Sd4 34.Lxd4 cxd4 35.Ke2 Txe7+ 36.Kd3 Kf8 37.Td2 Te3+ 38.Kxd4 Txa3 39.Te2 Gewinnchancen.

31.Dc3 f6 32.Dxf6 Tf8 33.Dh8+ Kf7 34.Dxh7+ Ke8 35.Dxg6+ Ke7 36.Kh1 Dxc4 37.Le5 Tf7 38.Ld6+ Ke8 39.Dg8+ Sf8 40.Lxf8 De2 41.Lb4+ 1-0

Im Blitz bekommen wir sogar vom Maestro grobe Böcke zu sehen. Zum Thema noch ein paar Tartakowerismen:

„Die Fehler sind alle da, sie müssen nur noch gemacht werden.“

„Eine ganze Partie kann auf einen bestimmten Fehler zugeschnitten sein.“

„Die Schachpartie ist gewöhnlich ein Märchen aus tausend und einem Fehler.“

„Immer der vorletzte Fehler gewinnt.“

„Im Schach lernt man nur durch Fehler.“

„Die Existenz des Schachspiels wird allein durch die Existenz von Fehlern gerechtfertigt.“