Die Schliemann-Batterie

Hugo Süchting – Ossip Bernstein
Barmen 1905

1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 f5 4.Sc3 fxe4 5.Sxe4 d5 6.Sxe5 dxe4 7.Sxc6 Dg5

Die Geburtsstunde der Schliemann-Batterie. Lb5 und Sc6 gegen Ke8. 7…Dg5 greift b5 und g2 an.

Die Theorie empfiehlt. 8.De2. 8…Dxg2 geht nicht wegen 9.Dh5+ g6 10.De5+ mit tödlichem Abzug im nächsten Zug. 8…Sf6 9.f4 Dxf4 10.Sxa7+ und jetzt nicht 10…c6 11.Sxc6 und die Batterie schlägt zurück, sondern 10…Kc8 11.Sxc8 Kxc8 12.d4 Df5 13.Tf1 Dg6 14.Lf4 oder 10…Ld7 11.Lxd7+ Sxd7 12.d4 Df5 13.Sb5. Alles nicht wirklich befriedigend für Schwarz. Deshalb empfehlen die Theoriebücher, die Schliemann als Wunderwaffe anpreisen, auch 5…Sf6.

Süchting trifft einen guten praktischen Entscheid.

8.Sd4+ c6 9.Lf1

Es liegt auf der Hand, der Drohung 10.d3 mit 9…De5 aus dem Weg zu gehen und gleichzeitig den Sd4 anzugreifen. 10.c3 Lc5 11.d3 Lxd4 12.cxd4 Dxd4 13.Le2 mit einem kleinen Vorteil für Weiss. Nach dem Textzug hat Weiss eine zusätzliche Option.

9…Lc5 10.Sb3

10…Lb6 wäre angebracht gewesen.

10…Lg4? 11.d4 Dg6

Süchting findet den besten Zug…

12.f3 exf3 13.gxf3 Le7

…aber jetzt hätte er den Läufer nehmen sollen. 14.fxg4 De4+ 15.De2 Dxh1 16.Ld2 0-0-0 17.0-0-0 Dd5 18.Lg2 mit Angriff.

Er spielte jedoch das grauenhafte 14.Lg2 Lh4+ 15.Kf1, stand 20 Züge lang komplett auf Verlust und gewann am Ende ein tot remises Bauernendspiel. 1–0

Richtig interessant ist die Schliemann-Batterie nur mit einer Dame auf a4.

Auch in einer anderen spanischen Variante kann es zur Schliemann-Batterie kommen:

1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 Sf6 4.0–0 Sxe4 5.d4 exd4

Dieser Zug wird kaum je gemacht. Ein vielversprechender Ausweg aus der Berliner Einöde ist er nicht.

6.Te1 d5

7.Dxd4 ist richtig gefährlich. Überraschenderweise wurde das nur in einer von 24 Partien gespielt. Schwarz sollte 7…Le6 versuchen. Er wird mit 8.c4 sofort unter Druck gesetzt, vielleicht überlebt er dann nach 8…Df6 9.cxd5 Dxd4 10.Sxd4 Lxd5 11.f3 Lc5 12.Le3 0-0-0 13.fxe4 Lxd4 14.exd5 Lxb2 15.dxc6 Lxa1 16.Lxa7 bxc6 17.Lxc6. So abwegig ist das nicht.

7.Sxd4 Ld6 8.Sxc6

Weiss hat eine Figur mehr und die Batterie. Es ist alles forciert.

8…Lxh2+ 9.Kh1 Dh4 10.Txe4+ dxe4 11.Dd8+ Dxd8 12.Sxd8+ Kxd8 13.Kxh2 Le6 14.Sc3 c6 15.Le2 f5.

Ein Computer würde das mit Schwarz vielleicht halten, ein Mensch eher nicht.

Reinhold Seppeur – Christof Herbrechtsmeier
Bundesliga 1985

1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.c3 d5 4.Lb5 dxe4 5.Sxe5 Dg5

4.Lb5 gilt abwechslungsweise als widerlegt oder als spielbar. Das ist die Stammpartie der „Widerlegung“. Weiss hat nichts besseres als 6.Da4. Man sollte bei einer Eröffnung eher vorsichtig sein, wenn man im 6. Zug anfängt, Zwangszüge zu machen.

Soll mal einer sagen, es gäbe keine Zufälle. Am Tag, als ich dies veröffentlichte, kam 4.Lb5 in  Lu Shanglei – Weselin Topalow, Weltcup Baku, 18.9.2015 vor. Topalow spielte 5…Dd5 6.Da4 Se7 7.f4 exf3 8.Sxf3 a6 9.Le2 Lf5 10.0-0 0-0-0 11.d4 Dd7. Hier hätte Lu mit 12.Lxa6 ewiges Schach erzwingen können, zog aber das natürliche 12.b4 f6 vor.  Die Partie endete im 31. Zug remis.

Es hätte mich schon wunder genommen, wie Lu 5…Dg5 überleben wollte, denn auch 6.d4 Dxg2 8.Sxc6 Ld7 9.Sxa7 c6 10.Lxc4 Txa7 ist verdächtig.

6.Da4 Dxg2

7.Tf1 Lh3 8.Sxc6 stellt die Batterie auf, aber da f1 hängt, fehlt ihr die Wirkung. 8…bxc6 9.Lxc6+ Kd8 10.Dc4 Dxf1+ 11.Dxf1 Lxf1. 12.Lxa8 Ld3 fällt wegen Paralyse aus. Daher 12.Kxf1 Tb8 13.Lxe4 mit einem Bauern für die Qualität, was kaum reichen wird.

7.Lxc6+ bxc6 8.Dxc6+ Kd8 9.Tf1 Lh3 10.Dxa8+ Ke7 11.Kd1 Dxf1+ 12.Kc2

12…Lf5 ist der methodische Zug. Es droht e3+.

13.Dc6! Das „!“ steht bei mir nicht für „starker Zug“, sondern für einziger Zug, der das angestrebte Resultat ermöglicht.

13…e3+ 14.d3!, nun ist 14…e2 15.Dxc7+ Kf6 16.Dc6+ Le6 17.Sg4+ Kg6 18.Se5+ remis, daher 14…De2+ 15.Sd2! exf2! 16.b3! Dxe5! 17.La3+! Kd8! 18.Lxf8! Se7! 19.Lxe7+! Kxe7! 20.Tf1! Td8! 21.Se4! Td5! 22.Dc4! Lxe4! 23.Dxe4! Dxe4! 24.dxe4! Das sind viele Ausrufezeichen für eine wirklich lange forcierte Variante. Das angestrebte Resultat hat keiner erreicht. Vielleicht kann Schwarz gewinnen, vielleicht auch nicht.

13…De2 verhindert d2-d3 und erneuert die Drohung e3+. 14.Dxc7+ Ke6 15.Dc4+ Dxc4 16.Sxc4 e3+ 17.d3 exf2 18.Sbd2 Lh3 19.Sf1! Lxf1 20.Le3 Lh3 21.Lxf2. Diesmal habe ich die Ausrufezeichen weggelassen, weil nur 19.Sf1 wirklich schwierig ist. Schwarz muss den a-Bauern geben, denn sonst kommt der weisse Turm nach e8. Die vier Freibauern sind gar kein schlechter Ersatz für die Figur.

4.Lb5 ist meines Erachtens also spielbar, aber nicht empfehlenswert.

12…Lg4? 13.b3 Ld1+ 14.Kb2 f6

12…Lg4 war der Verlustzug. Weiss verpasst hier 15.Sc6+ Kf7 16.Sd8+ Ke7 17.Dd5 mit Gewinn.

15.Sc4 Dd3 16.Se3 Lf3 17.Dxa7 Dd7 18.a4 Kf7 19.a5 Se7 20.Da6 Sc6 21.Db5 Ld6 22.a6 Se5 ½–½

Laszlo Szabo – Vladas Mikenas
Kemeri 1939

1.e4 c5 2.Sf3 e6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sf6 5.Sc3 Lb4 6.e5 

6…Sd5 7.Ld2 Sxc3 8.bxc3 Le7 9.Dg4 ist die Hauptvariante. Im Sizilianisch gibt es – mit Verlaub – aussichtsreichere Züge. Das ist eine Patzer-Eröffnung. Patzer lieben es, dem Gegner Bauernschwächen anzuhängen. 

6…Se4 7.Dg4

7…Da5 8.Dxg7 Tf8 9.Lh6 Sxc3 10.a3. Die Batterie zielt ins Leere. Es droht einfach 11.axb4 Dxa1+ 12.Kd2 und das Matt auf f8 ist nicht zu decken.

10…Le7  11.Ld2 und aus der Batterie ist eine Fesselung geworden.
10…Lc5 11.Sb3 Dxe5+12.Dxe5 Sxe5 oder 11…Db6 12.Sxc5 Dxc5 13.Dxf6 verliert die Qualität.

7…Sxc3 8.Dxg7 Tf8 9.a3

9…Da5 führt zur vorherigen Anmerkung.

9…Sc6 10.axb4 Sxd4 11.bxc3 Sxc2+ 12.Kd1 Sxa1 13.Lg5! Der Knackpunkt. 13…Dc7 14.Df6 d5 15.Lb5+ Ld7 16.De7#

9…Sb5+ 10.axb4 Sxd4 11.Lg5

Ein überflüssiger Umweg. 11.Lh6 De7 12.Ld3 gewann die Qualität.

11…Db6 12.Lh6 Dxb4+ 13.c3 Sf5 14.cxb4 Sxg7 15.Lxg7 Tg8 16.Lf6 Sc6 17.Ld3 h6

Dafür steht er positionell auf Gewinn. Er macht sich jedoch das Leben schwer, indem er den b-Bauern verschenkt. er konnte die gleiche Stellung mit dem b-Bauern haben: 18.b5 Sb4 19.Lh7 Txg2 20.Kf1 Tg4 21.h3

18.h3 Sxb4 19.Lh7 Txg2 20.Kf1 Tg6 21.Lxg6 fxg6 22.Tg1 Kf7

Es ist in etwa ausgeglichen. Szabó überspielt seinen Gegner in grossmeisterlicher Manier.

23.Ta4 Sd5 24.Tag4 g5 25.Lxg5 hxg5 26.Txg5 Se7 27.Tg7+ Kf8 28.Th7 b6 29.Ke1 a5 30.h4 a4 31.h5 a3 32.h6 Sf5 33.Th8+ Kf7 34.h7 axb2 35.Tf8+ Ke7 36.Kd2 Ta2 37.Kc2 Lb7 38.h8D 1–0

Jekaterina Korbut – Tatiana Grabuzowa
Russland 2004

1. e4 e6 2. d4 d5 3. Sc3 Sf6 4. Lg5 Lb4 5. e5 h6 6. Lc1 Se4 7. Dg4

7…Sxc3, was die Batterie aufstellt, ist nun ganz schlecht. 8.Dxg7 Tf8 9.Ld2 Sxa2 10.c3 Sxc3 11.bxc3 und gewinnt.

7…g6 8. Nge2 c5 9. a3 Qa5

6.Lc1 ist die neue Mode im McCutcheon. Schwarz hat im wesentlichen drei Züge, 9…La5, 9…cxd4 und die neue Hauptvariante 9…Lxc3 10.bxc3 cxd4 11.cxd4 Da5+ 12.c3. Hier würde die Batterie 12…Sxc3? wegen 13.Ld2 eine Figur verlieren.

10. axb4

Das ist die Pointe im Vergleich zu 6.Le3. Der Ta1 hängt ohne Schach.

Das hat nur noch entfernt mit der Schliemann-Batterie zu tun. Die Fesselung auf der a-Linie stellt sich wie in der vorherigen Partie als nichtig heraus.

10…Dxa1

Ruhige Gemüter sollten jetzt 11.Sxe4 dxe4 12.bxc5 Sc6 13.Dxe4 Sb4 14.f3 Sa3 15.Df4 wählen. Das ist wesentlich einfacher zu spielen als 11.Sxd5

11. Sxd5 Sa6 12. Se3 cxd4 13. Sc4 Sxb4 14. Dxe4 O-O

Kaum zu glauben, 15.Kd2 mit der Idee 16.Sxd4 und 17.Ld3  gewinnt. 15…Td8 16.Sxd4 Da4 17.Ld3. Das einzige, was 16.Sxd4 verhindert, ist 15…Sa2, dann nimmt die Dame: 16.Dxd4 Sxc1 17.Sxc1 Ld7 18.Sb3 Da4 19.Sc5 und aus.

15. f3 Sa2 16. Dxd4

16.Df4 und 16.Kd2 reichen noch für einen Vorteil. Dieser Zug verschenkt alles. Der Rest der Partie ist daher theoretisch uninteressant.

16…b5 17. Se3 Sxc1 18. Dd1 Da5+ 19. b4 Dxb4+ 20. c3 Db2 21. Dxc1 Dxc1+ 22. Sxc1 1/2-1/2 im 68. Zug.

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