Serafino-Variante

1.e4 e5 2.f4 Sc6 3.Sf3 f5

Diese Stellung sah die Schachgeschichte das erste Mal in einer Partie von Serafino Dubois, allerdings nach der Zugumstellung 1.e4 Sc6 2.f4 e5 3.Sf3 f5. Dubois war ein Römer und der stärkste italienische Schachspieler des 19. Jahrhunderts. Sein Name taucht auch in der Dubois-Réti-Verteidigung des Schottischen Gambits auf.

Nach der Premiere in London im Jahr 1862 fiel die Variante in einen 100-jährigen Dornröschenschlaf und wurde daraus erst 1989 in Luxemburg von Matthias Wahls erweckt. Ich selber habe das in den letzten Jahren in etlichen Blitzpartien getestet. Es war faszinierend zu sehen, wie viele Fehler meine Gegner – und zunächst auch ich – in der Eröffnung produzierten. Mehr als das, die selben Fehler geschahen auch in Turnierpartien, wo es z. B. ein Grossmeister fertig brachte, mit Weiss nach 12 Zügen auf Verlust zu stehen.

4.Sxe5?? Sxe5 5.fxe5 Dh4+. Der Rest ist Schweigen.

Ebenso beknackt ist 4.fxe5 fxe4 5.Sg1 Sxe5.

4.Lc4? ist ein Fehler, den ich oft gesehen habe. Er kam auch in manchen Turnierpartien vor. 4…fxe4 5.Sxe5 Sxe5 6.fxe5.

Nun wurde der Fehler zumeist mit dem Gegenfehler 6…De7? beantwortet, darauf sah keiner das starke 7.Lxg8 Txg8 8.0-0, z. B. 8…Dxe5? 9.d4 De6 10.Sc3 mit Angriff. Stockfish empfiehlt zunächst 8…b6 9.d4 exd3 10.Dh5+ g6 11.Df3 c6 12.Lg5 Dc5+ 13.Kh1 Dd5 14.Dg3 und findet hier, dass Schwarz auf Verlust steht. Auch 8…Dc5+ 9.d4 exd3+ 10.Kh1 ist verdächtig. Immerhin hat Schwarz Überlebenschancen.

Korrekt ist (nach 4.Lc4? fxe4 5.Sxe5 Sxe5 6.fxe5) 6…d5! 7.exd6 Lxd6. Das ist sehr ungemütlich für Weiss. Nach 8.0-0 Dh4 hat er die Ausrede 9.Lf7+ Ke7 10.Dh5 wonach Schwarz mit 10…Lxh2+ einen Bauern gewinnt. 8.Dh5+ g6 9.De2 Dh4+ 10.Df2 Dxf2+ 11.Kxf2 Sf6 ist offensichtlich gut für Schwarz. 7.g3 Sf6 8.d4 Lh3 wäre noch das Erträglichste. Aber wer will mit Weiss nach 8 Zügen so stehen?

4.Sc3 fxe4 ist wider Erwarten spielbar. Nur sollte Weiss hier nicht 5.Sxe4 d5 6.Sc3 e4 7.Se5 Sxe5 8.fxe5 De7! spielen, sondern 5.Sxe5 Sf6 6.Lc4 d5 7.Lb5 Ld7 8.d3 Lb4 9.0-0 0-0 10.Lxc6 Lxc6 11.dxe4 dxe4 mit Ausgleich.

4.d4 fxe4 5.Sxe5 ist hoch interessant. Mit 5…Sf6 hat Schwarz schlechte Erfahrungen gemacht, zu Unrecht, wie ich meine, obwohl er sich nach 6.d5 unwohl fühlen wird. Der Computer empfiehlt 6…Sb4 7.Sc3 c6 8.dxc6 dxc6 9.a3 Dxd1+ 10.Kxd1 Sbd5 11.Sxd5 cxd5 12.Lb5+ Ld7 13.Sxd7 mit etwas weissem Vorteil.

Ich spiele an dieser Stelle (nach 4.d4 fxe4 5.Sxe5) 5…d6. 6.Dh5+ g6 7.Sxg6 ist wegen 7…Sxd4 ein Schlag ins Wasser. Auf 6.Lb5 kann man e5 nehmen: 6…dxe5 7.Dh5+ Ke7 8.fxe5 g6 . Trotzdem, 6…Sge7 ist sicherer. 7.Sxc6 bxc6 8.La4 g6 mit etwas Positionsvorteil. 6.Sxc6 bxc6. Nun ist 7.d5 notwendig, um nicht in Nachteil zu geraten. Dann scheint 7…Ld7 der angemessene Zug zu sein. Nach 8.dxc6 Lxc6 würde 9.Lb5 mit der Idee 9…Lxb5? 10.Dh5+ zum Ausgleich reichen.

Vorsichtigen Gemütern sei 4.d3 empfohlen. 4…d6 5.Le2 Sf6 6.Sc3 Le7 7.0-0 0-0 8.Kh1. Diesen Zug darf Schwarz nicht mehr nachmachen, denn danach gewinnt Weiss einen Bauern: 8.fxe5 dxe5 9.exf5 Lxf5 10.Sxe5. 8…exf4 9.Lxf4 Kh8 nährt die Hoffnung auf weitere Symmetrie, doch Weiss kann diese mit 10.Dd2 durchbrechen und steht etwas besser.

Die Hauptvariante

1.e4 e5 2.f4 Sc6 3.Sf3 f5 4.exf5

Der Schweizer Schachspieler Urs Egli hat die Serafino-Variante vor mir entdeckt. Er glaubte, an dieser Stelle 4…exf4 spielen zu müssen. Nach 5.d4 d5 6.Lxf4 Lxf5 7.Ld3 De7+ 8.Kf2 Lxd3 9.Dxd3 0-0-0 ist es tatsächlich in etwa ausgeglichen.

4…e4

Dieser Zug wird von Computern unterschätzt. Nach 5.Sg5 Sf6 6.Le2 Lc5 7.Lh5+ Kf8 sehen die Programme erst jetzt, dass 8.Sf7 De8 9.Sxh8 Sxh5 zugunsten von Schwarz ist. Weiss muss hier zugeben, dass er sich verlaufen hat, und einen Rettungsversuch starten. Vielleicht 8.Sc3 De7 9.Sa4 d5 10.Sxc5 Dxc5, aber das sieht nicht mehr gut aus. 5.Sg5 ist schlicht die falsche Idee.

5.Se5

Der natürliche Zug. Etwa ein Drittel der Spieler hat hier 5…Sxe5?! 6.fxe5 De7 7.Dh5+ Kd8 versucht. Nach 8.d4 exd3 hat Weiss besseres als 9.Lxd3 Dxe5+ 10.Kd1, obwohl schon das sehr stark ist, nämlich 9.Dg5 dxc2 10.Sc3 Dxg5 11.Lxg5+ Le7 12.Lf4

5…Sf6

Erste Variante

6.d4 d6

7.Sxc6 bxc6 8.g4 sieht gefährlich aus. Richtig ist nun 8…Sd5 9.h4 h5 10.c4 Sb4 zugunsten von Schwarz.

7.Lb5 ist einer der Knackpunkte dieser Eröffnung. Schwarz muss annehmen, denn 7…a6 8.Sxc6 Dd7 9.La4 bxc6 10.c4 d5 11.0-0 ist unerfreulich. 7…dxe5 8.fxe5 Lxf5 (das Einzige) 9.exf6 Dxf6 10.0-0 Ld6 11.Sc3. Wahrscheinlich sollte er nun nicht lang, sondern kurz rochieren. 11…0-0 12.Lc4+ Kh8 13.Sb5 Dg6 mit Ausgleich.

Zweite Variante

6.d3 exd3 

Meist wurde 6…De7 gespielt. 7.d4 d6 8.Lb5 ist die Computervariante. 8…dxe5 9.fxe5 Ld7 10.exf6 Dxf6 11.Le3. Ich hätte lieber Weiss.

7.Lxd3 Lc5 8.g4 

Kompromisslos.

8…De7

9.g5 Sxe5 10.fxe5 Dxe5+ 11.De2 Dxe2+ 12.Kxe2 Sg4. Das ist gut für Schwarz.

9.Sc3 0-0 10.g5 Sxe5 11.fxe5 Dxe5 12.De2 Dxe2+ 13.Lxe2 Se8. Ausgleich.

Dritte Variante

6.Lc4 d5 7.Lb5. 

Das bekam ich viel vorgesetzt. Gut ist auch 7…a6 8.Lxc6+ bxc6 9.d4. 7…Lxf5 ignoriert die Drohung. Nach 8.Sxc6 bxc6 9.Lxc6+ Ld7 kann er den Turm wegen Damenverlust nicht schlagen. 10.Lxd7+ Dxd7 mit ausgezeichneter Kompensation.

Die kritische Variante

6.Sc3 

Der unangenehmste Versuch. Selbst der grosse Theoretiker Christian Bauer konnte die Probleme nicht lösen. Ich wurde auf den Zug aufmerksam, nachdem ich in einer Blitzpartie fürchterlich untergegangen war. Dass mein Gegner mit dem Computer beschissen hatte, war ein schwacher Trost.

Bauer zog in Maes-Bauer, Montpellier 1999, 6…Lb4 und wurde von der Keule 7.Sxe4 überrascht. Mit 7…De7 8.De2 Sxe4 zog er sich stilvoll aus der Affäre, denn  sein Gegner liess 9.Dh5+ g6 10.fxg6 0-0 11.Lc4+ Kh8 12.Lf7 Sf6 13.Dh6 Tg8 14.Lxg8 aus. Anstelle von 8.De2?! war 8.c3 stark.

Das direkte 6…d6 ist wegen 7.Sxc6 bxc6 8.g4 schwach.

Schwarz kann mit 6…Lc5 ein wildes Gambit anzetteln. Analytisch ist es nicht korrekt wegen 7.Sxe4 Sxe4 8.Dh5+g6 9.Sxg6 hxg6 10.Dxh8+ Lf8 11.fxg6.

Etwas mehr verspricht 6…Sd4 mit der Idee 7.Sxe4 d6 8.Sxf6+ Dxf6, 7.Lc4 c6 8.Sf7 Dc7 nun nicht 9.Sxh8 Dxf4, sondern 9.d3 exd3 10.Sxh8 mit völlig chaotischem Spiel.

6…De7 7.Sg4 Sxg4 8.Dxg4 Df7 hielt ich lange für die korrekte Idee. Jetzt wäre 9.De2 d5 10.Db5 nicht besonders gefährlich, Schwarz kann im Gambitstil mit 10…Ld6 fortfahren, 11.Sxd5 a6 12.Dc4 Lxf5 13.Se3 Le6 14.Dxe4 0-0 mit guter Stellung. Der Haken ist das einfache 9.Sxe4 d5 10.Sg5 Dxf5 11.Dxf5 Lxf5 12.c3! Natürlich ist eine gewisse Kompensation in der besseren Entwicklung da, aber der weisse Mehrbauer ist sehr solide.

6…d5 7.Lb5 Dd6. Nach langem Tüfteln fand ich dieses Figurenopfer. Thematisch ist natürlich 8.g4 h5 9.g5 Lxf5 10.gxf6 gxf6 11.Sxc6 bxc6 12.La6 d4 mit ausgezeichnetem Spiel. Weiss sollte mit 13.De2 die Figur zurück geben. Allerdings hat Weiss die Verstärkung 10.d3 statt 10.gxf6, aber auch da gibt es eine ausreichende Antwort: 10…d4. Weiss muss auf c6 und e4 tauschen und dann kurz rochieren.

8.d3 Lxf5 9.g4 Le6 10.dxe4 d4 11.Lxc6+ bxc6 12.Se2 Db4+ 13.Ld2 Db6, was für Schwarz gut spielbar ist.

Der Computer empfiehlt 7.La4 Le7 8.Sb5 Dd8 10.Sd4 0-0 11.Sdxc6 bxc6 und sieht Weiss im Vorteil nach 12.g4.  Hier sollten sicher Verbesserungen möglich sein, vielleicht 7…Lxf5 8.Sb5 Dd8. Es wäre schade, wenn 7.La4 die Variante widerlegen würde und man eben doch Eglis Zug 4…exf4 machen müsste.

Blitzpartien von mir mit Schwarz

1.e4 e5 2.f4 Sc6 3.Sf3 f5 4.Lc4 fxe4 5.Sxe5 d5

Das kann man auch spielen. Korrekt ist allerdings 5…Sxe5 6.fxe5 d5 7.exd6 Lxd6 8.g3 Sf6

Richtig wäre nun 6.Lb5 Sf6 7.d4, denn 7.Sxc6 bxc6 8.Lxc6+ Ld7 9.Lxa8? Lg4 verliert.

6.Dh5+?? g6 7.Sxg6 Sf6 8.Dh4 Tg8??

Einfach 8…dxc4 9.Sxh8 Sd4 und aus.

9.Sxf8 dxc4

9…Kxf8 hätte immer noch gewonnen.

10.Sxh7 Sxh7 11.Dh5+ Kf8 12.Dxh7 Txg2 13.Sc3??

13.Dh8+ ist ewig Schach. Nach 13.b3 muss ich 13…Dd4 finden, um ihn zum ewigen Schach zu zwingen.

13…Dd4 14.Tf1 Sb4 15.Kd1 Lg4+ 0–1

1.e4 e5 2.f4 Sc6 3.Sf3 f5 4.Sc3 fxe4 5.Sxe4 d5 6.Sg3?

Nach 6.Sc3 kommt 6…e4 7.Se5 Sxe5 8.fxe5 De7. Aber hier wäre selbstverständlich 6…fxe4 richtig.

6…e4 7.Se5

7…Sxe5 8.fxe5 De7 9.d4 exd3+ 10.Dxd3 Dxe5+ 11.Le3 und er hat Kompensation.

7…Sf6 8.Lb5

8…Ld7 mit Ausgleich. Nicht alle Tricks funktionieren immer.

8…Lc5? 9.Sxc6 bxc6 10.Lxc6+ Ld7 11.Lxa8

Nach 11…Dxa8 stehe ich überhaupt nicht schlecht.

11…Lg4?? 12.Lc6+ Kf7 13.Se2

Dumm gelaufen.

13…Dd6 14.Lb5 1–0

1.e4 e5 2.f4 Sc6 3.Sf3 f5 4.exf5 e4 5.Se5 Sf6 6.Sc3

6…De7 sollte man spielen. 7.Sg4 Sxg4 8.Dxg4 Df7. Nach 9.Sxe4 d5 10.Sg5 Dxf5 11.Dxf5 Lxf5 12.c3. Hoppla, da ist zuwenig Kompensation. Langsam denke ich , dass 6.Sc3 das Ganze widerlegt…

6…d6

7.Sxc6 bxc6 8.g4 und was nun?

7.Sg4? Lxf5 8.Sxf6+ Dxf6 9.Lb5 a6 10.Lxc6+ bxc6 11.0–0 d5 12.d3 Lc5+ 13.Kh1 exd3 14.cxd3 0–0 15.Se2 Lg4 16.h3??

Das lief wie am Schnürchen.

16…Tae8

Denn 17.hxg4 Dh4# ist Matt.

17.Te1 Lf2 0-1

1.e4 e5 2.f4 Sc6 3.Sf3 f5 4.exf5 e4 5.Se5 Sf6 6.Sc3 Lc5

Dass 6.Sc3 das Sorgenkind ist, sieht man auch hier. Ich probiere etwas neues.

7.Sxe4 Sxe4

Denn was soll ich nach 7…Sxe5 8.Sxc5 noch haben?

8.Dh5+ g6

9.Sxg6 Sf6 10.De2+ Le7 11.Sxh8 wäre besser. Ganz verloren bin ich nicht. 11…d5 12.g4 Sd4 13.Dd3 Lc5 mit respektablen Schwindel-Chancen.

9.fxg6 Lf2+ 10.Kd1 Dh4

11.Le2 Dxh5 12.Lxh5 Kf8 und ich habe eine Figur mehr, er aber auch ein paar Bauern dafür.

11.De2? d5 12.d3? Sd4 13.g3 Lxg3 14.hxg3 Dxh1 0-1

1.e4 e5 2.f4 Sc6 3.Sf3 f5 4.exf5 e4 5.Se5 Sf6 6.Lb5

Hoppla. Es stellt sich heraus, dass das auch geht.

6…Lc5 7.Sc3 0–0 8.d3 exd3 9.Dxd3 d6

Das habe ich gut gespielt. Er setzt richtig fort.

10.Sxc6 bxc6 11.Lxc6 Tb8

Hier hätte er 12.Sa4 versuchen sollen. 12…Te8+ 13.Kd1 Ld7. Ich habe echt schöne Kompensation. Mit seinem nächsten Zug produziert er einen Totalabsturz. Aber wer konnte schon ahnen, dass er keine Züge mehr haben wird?

12.Ld5+?? Sxd5 13.Dxd5+ Kh8 14.Se4 Lb7 0-1

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